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Lernen im Naturkundemuseum - Konstruktion oder Instruktion?

Titelangaben

Wilde, Matthias ; Klautke, Siegfried:
Lernen im Naturkundemuseum - Konstruktion oder Instruktion?
In: Bauer, Andreas (Hrsg.): Entwicklung von Wissen und Kompetenzen im Biologieunterricht. - Kiel : IPN , 2003 . - S. 179-182
ISBN 3-89088-155-6

Abstract

„Die Wirklichkeit, in der ich lebe, ist ein Konstrukt des Gehirns“ (G. Roth, 1995). Dieser Kernsatz der konstruktivistischen Erkenntnistheorie besitzt in der konstruktivistischen Lerntheorie ebenfalls Gültigkeit. Hier befasst man sich jedoch weniger mit der „Un“-Erkennbarkeit der Welt an sich, sondern damit, Aneignung von Wissen als einen aktiven konstruktiven Prozess des Lerners in einem bestimmten Kontext zu begreifen. Konstruktivistische Lerntheorien fordern „selbstgesteuertes“ Lernen, das sich durch einen hohen Grad an Eigenaktivität und Autonomie des Lerners auszeichnet. Es herrscht das Primat der Konstruktion (Reinmann-Rothmeier und Mandl, 2001).Dem gegenübergestellt werden in diesem Vortrag kognitivistische Auffassungen, nach welchen Wissen durch Instruktion „weitergegeben“ werden soll. Durch möglichst systematisiertes Lehren wird der Lerngegenstand vom Lehrenden zum Lerner gleichsam „transportiert“, so dass der Lerner nun das Wissen in ähnlicher Form besitzt wie der Lehrende. Es herrscht das Primat der Instruktion (Reinmann-Rothmeier und Mandl, 2001).Der Ansatz des „gemäßigten Konstruktivismus“ im Sinne Mandls bemüht sich, konstruktivistisches und instruktives Lernen in einem für Schüler hilfreichen Maß zu verknüpfen. Lernen wird gesehen als aktiver „selbstgesteuerter“ und individueller Prozess, der gleichwohl der Anleitung und Beratung durch den Lehrenden bedarf (Reinmann-Rothmeier und Mandl, 2001).Der Übergang von rein konstruktivistischen Vorstellungen zu rein instruktionalen Lerntheorien lässt sich als Kontinuum begreifen. In unserer Untersuchung schafften wir im Naturkundemuseum des Umweltschutzinformationszentrums Lindenhof in Bayreuth, einem außerschulischen Lernort, der u.a. durch die Ausstellung nachgebauter idealisierter Biotope sekundäre Naturerfahrungen vermittelt, drei unterschiedliche Lernumgebungen: eine konstruktivistisch orientierte, eine instruktional orientierte und eine Lernumgebung im Übergangsfeld zwischen Konstruktion und Instruktion (konstruktivistisch-instruktional orientiert). Evaluiert werden die Auswirkungen dieser drei Lernumgebungen auf Gymnasiasten der fünften Jahrgangsstufe bezüglich kognitiver und affektiver Ebenen. Die Unterschiedlichkeit dieser drei Lernumgebungen manifestiert sich zunächst im variierenden Maß von Instruktion und Selbststeuerung, und erst in der Folge im Maße der Selbststeuerung, in der Art der Eigenaktivität und der Möglichkeit, Wissen selbst zu konstruieren. In der konstruktivistisch orientierten Lernumgebung (K-Schüler) werden Schüler in Situationen einer allgemeinen Fragehaltung gebracht wie etwa: „(…) Erzähle (…), was Dich am ‚Urwald im Fichtelgebirge’ (…) interessiert! (…)“ (‚Urwald im Fichtelgebirge’ ist eines der Dioramen.) Oder: „ Verstehst Du das Schaufenster? (…) Kannst Du (…) den Inhalt des Schaufensters erklären? Schreibe möglichst genau auf, was im Schaufenster dargestellt sein soll!“ Diese zurückhaltende Art der Instruktion verlangt Schülern zur sinnvollen Bearbeitung der Aufgabe ein hohes Maß an Selbststeuerung, Eigenaktivität und aktiver Konstruktionsprozesse ab. Situiertheit und Authentizität des Kontexts sind gegeben. Metakognitive Prozesse jedoch werden nicht planvoll angeregt. Möglichkeiten der Selbstevaluation (mit Ausnahme derer, die das Museum selbst bietet,) werden nicht angeboten. Man kann also nicht von konstruktivistischem Lernen in Reinform sprechen. Die Lernumgebung heißt darum konstruktivistisch orientiert. Die instruktional orientierte Lernumgebung (I-Schüler) bietet bis zu acht Aufgaben mit kleinschrittigen Anweisungen und vorgegebenen Antwortmöglichkeiten. Diese die Aktivität des Schülers beherrschende und genau steuernde Instruktion fordert zwar Eigenaktivität, aber die Art der Eigenaktivität ist sehr deutlich vorgegeben. Prozesse, die zum Aufbau subjektiver Wirklichkeiten bezüglich der Museumsinhalte führen, werden nicht gefördert. Situiertheit und Authentizität des Kontexts sind in ähnlichem Maße gegeben wie oben (vgl. K-Schüler). Diese Lernumgebung heißt instruktional orientiert. Die instruktional-konstruktivistisch orientierte Lernumgebung (IK-Schüler) bietet zwei bis fünf Aufgaben ohne vorgegebene Antwortmöglichkeiten. Sie beinhalten z.B. den Vergleich zweier Vögel oder die Ergänzung von Skizzen. Es gibt eine klare Instruktion, die den Inhalt der Eigenaktivität der Schüler weitgehend bestimmt, aber nicht Tiefe oder Art und Weise der Bearbeitung. Damit sollten aktive Konstruktionsprozesse angestoßen werden. Situiertheit und Authentizität des Kontexts sind gegeben. Metakognitive Prozesse werden nicht planvoll initiiert. Zusätzliche Angebote der Selbstevaluation gibt es nicht. Die Lernumgebung heißt instruktional-konstruktivistisch orientiert. Die Stichprobe bezogen auf alle Schüler, die an der Studie (zwei Vor-, eine Hauptuntersuchung) teilnahmen, betrug etwa 500 Schüler. Davon waren 366 an allen Phasen der Hauptuntersuchung beteiligt. Sie rekrutierten sich aus 14 Klassen der fünften Jahrgangsstufe aus zwei Gymnasien aus Bayreuth und zwei aus dem Umland. In den Fragebögen gab es zum kognitiven Wissen Items mit Antwortvorgaben (18 Aussagen zu bewerten mit „stimmt“, „stimmt nicht“ und „weiß nicht“), Items mit offenem Antwortformat und Items zur affektiven Bewertung des Museums (Lickert-Skala). Das Versuchsdesign folgte dem Schema Vortest (sieben Tage vor dem Treatment), Treatment, Nachtest I (direkt nach dem Treatment) und Nachtest II (nach 40 Tagen). Im Treatment wurde eine Schulklasse zufällig in eine K-, eine IK- und eine I- Gruppe eingeteilt. Ein Betreuer begleitete eine Gruppe während des gesamten Museumsbesuchs. Die Schüler besuchten sechs identische Stationen (Diorama/ Schaukasten) für je zehn Minuten in Kleingruppen von drei bis vier Kindern. Mit Hilfe von in unterschiedlichem Maße instruierenden Arbeitsblättern werden die K-, IK- und I-Lernumgebungen geschaffen. Ergebnissen im kognitiven Bereich bezüglich der Items mit Antwortvorgaben: Zunächst sei der Lernerfolg in den beiden nachtests berichtet: Die Schüler erziehlten in allen Gruppen (K, IK, I) im Nachtest I und II signifikant bessere Resultate als im Vortest (alle Teilgruppen, Nachtest I und II: p<.001).Die Lernumgebungen unterscheiden sich in statistisch bedeutsamer Weise (ANOVA, Nachtest I: p<.001, Nachtest II: p<01): Im Nachtest I unterschieden sich K- und IK-Schüler (Post-Hoc-Test: Scheffe’: p<.001), wie auch K- und I-Schüler (Post-Hoc-Test: Scheffe’: p<.05). Im Nachtest II fanden sich statistisch bedeutsame Unterschiede zwischen K- und IK- Schülern (Post-Hoc-Test: Scheffe’: p<.01). Die K-Schüler schnitten jeweils schlechter ab. Die Lernumgebung spielte demnach eine wichtige Rolle, wenngleich nicht alle Effekte beständig waren. Abbildung: Wissensunterschiede der Schüler in den drei unterschiedlichen Lernumgebungen (K=konstruktivistisch orientiert, IK=instruktional-konstruktivistisch orientiert, I= instruktional orientiert) anhand der Items mit Antwortvorgaben (VT=Vortest, NT I bzw. II= Nachtest I und II; *<.05, **<.01, ***<.001).Inwieweit dieses Resultat bezüglich der kognitiven Items mit offenen Antwortformaten Bestätigung findet, soll im Vortrag berichtet werden. Für den affektiven Bereich deuten erste Auswertungen sehr positive Einschätzungen des Museumsbesuches durch die Schüler an, dies jedoch in allen Lernumgebungen.

Weitere Angaben

Publikationsform: Aufsatz in einem Buch
Begutachteter Beitrag: Ja
Zusätzliche Informationen: BAYCEER24174
Institutionen der Universität: Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften > Fachgruppe Biologie > Lehrstuhl Didaktik der Biologie
Fakultäten
Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften
Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften > Fachgruppe Biologie
Titel an der UBT entstanden: Ja
Themengebiete aus DDC: 500 Naturwissenschaften und Mathematik
Eingestellt am: 31 Aug 2015 05:51
Letzte Änderung: 31 Aug 2015 05:51
URI: https://eref.uni-bayreuth.de/id/eprint/18934