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Jenseits von Cisplatin : Aufklärung der intrazellulären Lokalisation und antitumoralen Wirkung neuer target-spezifischer Platinkomplexe mit N-heterozyklischen Carbenliganden

Titelangaben

Rothemund, Matthias:
Jenseits von Cisplatin : Aufklärung der intrazellulären Lokalisation und antitumoralen Wirkung neuer target-spezifischer Platinkomplexe mit N-heterozyklischen Carbenliganden.
Bayreuth , 2020 . - V, 190 S.
( Dissertation, 2020 , Universität Bayreuth, Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften)
DOI: https://doi.org/10.15495/EPub_UBT_00005182

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Abstract

Der anhaltende Anstieg neoplastischer Neuerkrankungen und damit verbundener Todesfälle, wiederkehrende Resistenzentwicklungen gegen aktuelle Chemotherapeutika und ihre starken Nebenwirkungen stellen die Wissenschaft auch nach mehreren Jahrzehnten erfolgreicher Tumorbekämpfung vor die Aufgaben bessere, selektivere Wirkstoffe für die Tumortherapie zu finden. Aufgrund ihrer hohen Stabilität und Variabilität haben sich N-heterozyklische Carbenkomplexe (NHC) in den letzten Jahren als vielversprechende Kandidaten für die Entwicklung neuer antitumoraler Wirkstoffe hervorgetan. Die im Rahmen dieser Arbeit vorgestellten PtII und PtIV NHC Komplexe mit verschiedenen N,N-dibenzylimidazol-2-yliden und N,N-dialkylbenzimidazol-2-yliden Liganden, wurden in vitro auf ihre allgemeine antitumorale Aktivität mit Fokus auf ihre DNA-Interaktionsfähigkeit, intrazelluläre Lokalisation und damit verbundene Auswirkungen auf zelluläre Prozesse untersucht.
Der erste Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit der Aufklärung des Wirkmechanismus neuer (un)symmetrischer, (un)geladener Komplexe des Typs cis-[PtIICl(L)(NHC)1(NHC)2] mit N,N-dibenzylimidazol-2-yliden (NHC) und Cl/PPh3 (L) Liganden. Wie schon ähnliche PtII Komplexe zuvor zeigten Komplexe mit Eigenschaften von delokalisierten lipophilen Kationen (dlc) eine aufnahmeabhängige, erhöhte Toxizität. Ebenso nahmen die sekundären Liganden und das Einführen einer positiven Gesamtladung Einfluss auf die Interaktion mit DNA, welche in ihrer Intensität die von Cisplatin weit überstieg. Die Lokalisation von fluoreszenzmarkierten Derivaten dieser Serie zeigte sowohl die ungeladenen als auch die geladenen Komplexe hauptsächlich an den Mitochondrien, was untypisch für Platinkomplexe ist. Einhergehend mit diesem Wirkort wurden negative Auswirkungen auf die Redoxhomöostase und der Zusammenbruch des Mitochondrienmembranpotentials ΔΨ in Tumorzellen nach Behandlung mit Komplexen dieser Serie festgestellt. Damit unterscheiden sie sich deutlich von Cisplatin, welches seinen Hauptwirkort an der DNA findet. Weitere Unterschiede zwischen der Wirkung von Cisplatin und den untersuchten Platinkomplexen zeigten sich in ihrem Einfluss auf den Zellzyklus, das Zytoskelett und die Aktivierung der Apoptose. Einhergehend mit oxidativem Stress lösen die kationischen Komplexe einen G1-Arrest und nicht wie Cisplatin einen S-Phasenarrest, und eine starke Ausbildung von stress fibers im Aktinzytoskelett aus. Letztendlich konnte für die geladenen Komplexe 14 die Aktivierung der apoptosevermittelnden Caspasen nachgewiesen werden. Die geringere Aktivität der ungeladenen Komplexe beschränkte sich nicht auf ihre Auswirkungen auf die Menge an toxischer reaktiver Sauerstoffspezies. So verursachten sie keinen Zellzyklusarrest und waren auch nicht in der Lage Caspasen zu aktivieren. Der, von dem von Cisplatin verschiedene, Wirkmechanismus der cis-[PtIICl(L)(NHC)1(NHC)2] Komplexe dieser Generation bietet die Möglichkeit gemilderter Nebenwirkungen, da gesunde Körperzellen eine höhere Toleranz für oxidativen Stress besitzen als Tumorzellen und DNA-Reparaturmechanismen nicht in dem Ausmaß aktiviert werden, wie es bei einer Cisplatin-Therapie geschieht.
Der zweite Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit der Untersuchung des Einflusses der sekundären Liganden und der Gesamtladung der Komplexe auf ihre antitumorale Aktivität und die Art, sowie die Stärke ihrer DNA-Interaktion. Untersucht wurde dies an einer Serie von (un)geladenen [(1,3-Dialkylbenzimidazol-2-yliden)-(L)Cl]platin(II) Komplexen. Wie schon die zuvor untersuchten Komplexe zeigten die Komplexe dieser Serie eine zelluläre Aufnahme, die stark abhängig von der Art der sekundären Liganden war. Komplexe, die Eigenschaften delokalisierter lipophiler Kationen zeigen, wurden am stärksten in Zellen aufgenommen und zeigten die höchste Toxizität. Insbesondere bei Komplexen mit einem PPh3 Liganden hatte auch die Länge der Alkylkette deutlichen Einfluss auf die Aufnahme. Im Gegensatz zu den ersten Komplexen, standen Aufnahmeraten dieseer Komplexe jedoch in keinem Zusammenhang mit den Cytotoxizitäten, die sich in dieser Serie sprunghaft verhielten.
Detaillierte DNA-Interaktionsstudien der Komplexe zeigten, dass die ungeladenen Komplexe 18-19 direkt koordinativ an Guaninbasen der DNA binden und die geladenen Komplexe erst eine rasche elektrostatische Interaktion mit dem negativ geladenen Phosphatrückgrat eingehen und anschließend eine koordinative Bindung. Alle getesteten Komplexe bilden monofunktionelle DNA-Addukte aus, und destabilisieren, verdrehen und entwinden die DNA in geringerem Ausmaß als Cisplatin. Derartige Schäden der DNA könnten unerkannt bleiben und Reparaturmechanismen der Tumorzellen umgehen.
Die starken Nebenwirkungen, die eine Chemotherapie oft mit sich bringt, regt zu gezielteren Ansätzen der Chemotherapie an. Inaktive prodrugs, Metallkomplexe höherer Oxidationsstufen, die durch die Reduktion in der veränderten Tumorumgebung aktiviert werden, stellen eine Möglichkeit dar, ungewollte Nebeneffekte zu reduzieren. Der dritte Teil dieser Arbeit handelt von der antitumoralen Aktivität von cis- und trans-[PtIVCl4(NHC)2]-Komplexen und ihrer PtII Analoga. Die PtIV Komplexe dieser Serie zeigten größtenteils eine ähnliche antitumorale Aktivität wie ihre PtII Analoga. Die Geometrie der PtIV Komplexe verhindert eine in vitro DNA-Interaktion, und macht sie somit zu potenziellen Prodrugs für die Tumortherapie. Vergebliche Versuche einer in situ Reduktion stimmen mit Forschungsergebnissen überein, dass kleinere Moleküle nicht für die Reduktion der PtIV Komplexe verantwortlich sind, sondern diese durch größere Moleküle, wie Proteine oder Enzyme reduziert werden. Die dennoch im Vergleich zu den PtII Komplexen gleich gute Aktivität der PtIV Komplexe weist auf eine intrazelluläre Reduktion zu ihren PtII Analoga hin. Eine durch die Prodrug-Eigenschaften ermöglichte nebenwirkungsärmere Therapie muss jedoch noch durch Untersuchungen im Maus-Xenograft Model bestätigt werden.
NHC-Platinkomplexe stellen aufgrund ihrer physikochemischen Eigenschaften vielversprechende Kandidaten für die Tumortherapie dar, da über Ligandenvariation nicht nur die Lipophilie, die Stabilität und andere Komplexeigenschaften eingestellt werden können, sondern eine gezielte Tumortherapie mit Vermeidung von aufkommender Resistenzen und Nebenwirkungen möglich werden.

Abstract in weiterer Sprache

The increasing number of neoplastic diseases and resulting deaths, the reoccurring development of resistances against current chemotherapeutics and their strong side effects challenge researchers, despite decades of successful fight against cancer, to search for better, more selective agents for tumor therapy. In recent years, due to their high stability and variability, N-heterocyclic carbene complexes have proven to be promising candidates for the development of new anti-tumor agents. The PtII and PtIV NHC complexes with varying N,N-dibenzylimidazole-2-ylidene and N,N-dialkylbenzimidazole-2-ylidene ligands presented in this work, have been tested in vitro for their overall anti-tumoral activity, with focus on their DNA interaction, intracellular localization and associated effects on cellular processes.
The first part of this work elucidates the mode of action of new (un)symmetrical (un)charged complexes 13 and 14 of the type cis-[PtIICl(L)(NHC)1(NHC)2], bearing N,N-dibenzylimidazole-2-ylidene (NHC) and Cl/PPh3 (L) ligands. As similar PtII complexes previously, complexes with characteristics of delocalized lipophilic cations (dlc) showed an uptake-dependent, heightened toxicity. Similarly, the secondary ligands and the introduction of a positive charge strongly influenced the DNA interaction, which surpassed the intensity of that of cisplatin by far. The localization of fluorescence-tagged derivatives of this series showed that the uncharged as well as the charged complexes accumulate at the mitochondria, which is untypically for platinum complexes. Motivated by this target location, negative effects on the redox homeostasis and the collapse of the mitochondria membrane potential ΔΨ in tumor cells was observed after treatment with complexes of this series. This distinguishes them from cisplatin, whose main target is the DNA. Further differences between the effects of cisplatin and the here investigated platinum complexes are visible in their influence on the cell cycle progression, the cytoskeleton, and the activation of apoptosis. Connected with oxidative stress the cationic complexes cause a G1-arrest and not a S-phase arrest, like cisplatin, and a strong formation of stress fibers in the actin cytoskeleton. Finally, the activation of apoptosis mediating caspases was proven for the charged complexes. The reduced activity of the neutral complexes was not limited to the generation of toxic reactive oxygen species. The neutral complexes did not cause a cell cycle arrest and were not able to activate caspases. The from that of cisplatin different mode of action of the cis-[PtIICl(L)(NHC)1(NHC)2] complexes of this generation affords the possibility of mitigated side effects, as healthy cells possess a higher tolerance for oxidative stress than tumor cells and DNA repair mechanisms are not activated to the extent caused by cisplatin therapy.
The second part of this work investigates the influence of the secondary ligands and the overall charge of NHC complexes on their antitumoral activity, with focus on the character and intensity of the DNA interaction. This was investigated using a series of (un)charged N,N-dialkylbenzimidazol-2-ylidene platinum(II) complexes with doubling length of the alkyl chains (methyl - n-octyl) and either DMSO, or up to two PPh3 ligands. As the previously tested complexes, complexes of this series showed a cellular uptake that strongly depended on the identity of the secondary ligands. Complexes with dlc characteristics were quickly taken up into the cells. For complexes with one PPh3 ligand the length of the alkyl chain had the most prominent influence on the uptake. In contrast, the uptake rate of these complexes stood in no relation to their cytotoxicities, which were erratic in this series. Detailed DNA interaction studies of complexes revealed that the uncharged complexes form coordinative bonds with guanine bases of the DNA and kationic complexes first form electrostatic interactions with the negatively charged phosphate backbone and subsequently coordinative interactions. All complexes were found to form monofunctional DNA-adducts, and thus to destabilize, distort, and unwind the DNA less than Cisplatin. These leasons could remain unrecognized and circumvent repair mechanisms of the tumor cells.
The third part of this work challenges the strong side effects that chemotherapy often entails, which motivate for a more targeted approach of tumor therapy. Inactive prodrugs, metal complexes of higher oxidation states that are activated through reduction in the altered tumor environment, present an opportunity to reduce unwanted side effects. A series of cis- and trans-[PtIVCl4(NHC)2] complexes showed mostly the same antitumoral activity as their PtII analogs. The geometry of the PtIV-complexes impairs in vitro DNA interaction, making them potential prodrugs for cancer therapy. Failed in situ reduction experiments correspond to recent research that small molecules are not responsible for reduction of the PtIV complexes, but large molecules such as proteins or enzymes. The to the PtII complexes similar activity of the PtIV complexes indicates an intracellular reduction to the PtII analoga. A side effect reduced therapy, made possible through these prodrug characteristics, still needs to be confirmed in xenograft mouse models.
NHC-platinum complexes present, due to their physicochemical characteristics, promising candidates for tumor therapy. Via finetuning of the lipophilicity, stability and other characteristics, a targeted tumor therapy with alternative modes of action, thus bypassing emerging resistances and side effects could be possible.

Weitere Angaben

Publikationsform: Dissertation
Keywords: Platin; Platinkomplexe; Präklinische Studien; Lokalisation; Zellassays; antitumoral; Wirkstoffforschung; Mitochondrien; DNA-Interaktion
Institutionen der Universität: Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften
Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften > Fachgruppe Chemie > Lehrstuhl Organische Chemie I
Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften > Fachgruppe Chemie > Lehrstuhl Organische Chemie I > Lehrstuhl Organische Chemie I - Univ.-Prof. Dr. Rainer Schobert
Graduierteneinrichtungen > University of Bayreuth Graduate School
Fakultäten
Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften > Fachgruppe Chemie
Graduierteneinrichtungen
Titel an der UBT entstanden: Ja
Themengebiete aus DDC: 500 Naturwissenschaften und Mathematik
500 Naturwissenschaften und Mathematik > 540 Chemie
500 Naturwissenschaften und Mathematik > 570 Biowissenschaften; Biologie
Eingestellt am: 12 Dec 2020 22:00
Letzte Änderung: 14 Dec 2020 06:41
URI: https://eref.uni-bayreuth.de/id/eprint/61073