Title data
Gebauer, Matthias:
Black Islam South Africa : Religious Territoriality, Conversion, and the Transgression of Orderly Indigeneity. Überarbeitete Fassung.
Passau
:
Selbstverlag Fach GEOGRAPHIE der Universität Passau
,
2021
. -
115 p.
- (Passauer Schriften zur Geographie
; 32
)
ISBN 978-3-9817553-5-0
Abstract in another language
Social alienation and the struggle to belong in the South African society are not only matters of political discourse but touch the practical sphere of everyday life in the respective places of residence. This book approaches the entanglements of religion and space within the processes of re-ordering African indigeneity in post-apartheid South Africa. It asks how conversion to Islam constitutes the longing for a post-colonial and post-racialized African self. This study specifically engages with dynamics surrounding Black and Muslim practices and identity politics in formerly demarcated Black African areas. Here, even after the official end of apartheid, spatial racialization and social inequalities persist. Modes of orderings rooted in colonialism and apartheid still define what orderly belonging and African indigeneity mean. Thus, the inhabitants of those spaces find themselves in situations every day in which their habitat continuously ascribes oppression and racialization. The post-1994 promise for equal citizenship seems to be slowly fading, becoming a broken promise, on whose fulfillment the majority of people who were previously—by official definition and demarcation—only granted the right of being a migratory workforce, sojourners in the White spaces, are still waiting. Against this background, this thesis engages with the attempts to reformulate and recreate African indigeneity on the basis of a counter-hegemonic ideology of being Black and Muslim. It pays attention to the emergence and articulation of a Black Muslim indigeneity that is based on bringing together a pre-colonial idealization of the African self with global ideologies of Muslim Blackness.
With a regional focus on KwaZulu-Natal and a specific look at the developments in and around the urban and peri-urban areas of eThekwini (Durban), it features particular case studies which highlight religious territorialization on the one hand and attempts to transgress the social and spatial modes of orderings by converting to Islam on the other. Here, South Africans once classified as Black African seek a common modus operandi in Muslim Blackness in order to break with orderly indigeneity as ascribed, defined, and structured by colonialism and apartheid, even going as far as to out-migrate from the lived-in places which continue to be experienced daily as unsettling and uprooting. With preparations being made to create a new settlement and establish a new social order, the unfulfilled promise of post-apartheid will be left behind, once and for all.
This makes the featured case a peculiar, though so far under-researched, example: Throughout the history of colonization and especially during the time of apartheid, the practice of Islam was strongly interwoven with a changing but persistent struggle for identity and belonging. Being Muslim became oppressively obscured as it was directed as an institutional term towards such politically created population categories as Indian or Coloured. This implied a very structural and spatial effect, as the communal practice of Islam was limited to those respective residential areas. Thus, the former Black African areas of South Africa are important places to engage with: Segregated and socio-spatially ordered over decades of colonialism, racism, and apartheid, these vast areas of relatively high-density living conditions and desolated livelihoods characterize the surroundings of every major city in South Africa. The duality of White urban core and Black outskirts represents a spatial and social pattern whose inequalities persist up until now. But these places also came to manifest a stratification of religious practices and orderly religious belonging, as orderly African indigeneity was unquestionably linked to Christianity, while Islamic institutions were almost non-existent within the Black African areas. The case of conversions to Islam among the indigenous African population of South Africa also exemplifies the paradoxical untouchability of religiously territorialized space within the ideology of apartheid, which enabled some to maintain an exclusive sense of belonging to their former places of residence and a practical connection to the land from which they had been forcibly removed. By moving beyond the specific cases, the ideas and practices of Blackness and Muslimness are discussed in light of diasporic identity formations in relation to their colonial connotations, thereby opening up a perspective on creating an indigeneity transgressive to the conditions of everyday life.
Abstract in another language
Soziale Entfremdung und das Ringen um Zugehörigkeit in der südafrikanischen Gesellschaft sind nicht nur Gegenstand des politischen Diskurses, sondern berühren insbesondere die praktische Sphäre des Alltagslebens an den jeweiligen Wohnorten. Das Buch setzt sich daher mit den Verschränkungen von Religion und Raum im Bezug auf Prozesse der widerständigen Aneignung und des selbstbestimmten Lebens afrikanischer Indigenität im Post-Apartheid-Südafrika auseinander. Zentral ist dabei, inwiefern Konversion zum Islam die Sehnsucht nach einem postkolonialen und post-rassistischen afrikanischen Selbst konstituiert. Diese Studie befasst sich insbesondere mit alltäglichen Praktiken des Zusammenkommens von Black und Muslim in vormals der rassistischen Kategorie Black/African zugeschriebenen Wohngebieten. Hier, auch nach dem offiziellen Ende der Apartheid, bestehen räumlich-rassistische Einschreibungen und soziale Ungleichheiten fort. Die im Kolonialismus und in der Apartheid verwurzelten Ordnungsmodi definieren bis heute, was geordnete Zugehörigkeit und afrikanische Indigenität zu sein haben. So finden sich die Bewohner dieser Räume tagtäglich in Situationen wieder, in denen die Räume des Alltags kontinuierlich Unterdrückung und rassistische Ordnung reproduzieren. Das nach 1994 ausgerufene gesellschaftliche Ideal einer gleichberechtigten Staatsbürgerschaft scheint langsam zu verblassen und zu einem gebrochenen Versprechen zu werden, auf dessen Erfüllung die Mehrheit der Menschen immer noch wartet. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich diese Arbeit mit den Versuchen, afrikanische Indigenität auf der Grundlage einer gegenhegemonialen Ideologie von Blackness und Muslimness neu zu formulieren und an den Orten des Alltags zu leben. Dabei richtet sich das besondere Augenmerk auf die Entstehung und Artikulation einer Indigenität basierend auf dem Zusammenkommen von Black und Muslim. Hierbei ist zu erkennen, wie eine idealisierte, vorkoloniale Vorstellung des afrikanischen Selbst auf Basis von globalen Ideen und Ideologien von Muslim Blackness gelebt wird.
Die präsentierten Fallstudien haben einen regionalen Schwerpunkt auf KwaZulu-Natal und einen spezifischen Blick auf die Entwicklungen in und um die städtischen und stadtnahen Gebiete von eThekwini (Durban). Die Analyse stellt dabei Effekte religiöser Territorialisierung in den Vordergrund der Auseinandersetzung mit Versuchen der Überschreitung sozialer und räumlicher Ordnungsweisen mittels Konversion zum Islam. Der modus operandi von Muslim Blackness umfasst dabei sowohl die selbstbestimmte Definition und alltägliche Neuordnung von Indigenität im Bruch mit Kolonialismus und Apartheid im Sinne einer kulturellen Praxis als auch räumliche Transgressionen der gelebten Alltagswelten. Der Versuch des Bruchs reicht dabei von materiellen Arrangements im Sinne des Erschaffens muslimischer Gemeinschaftsorte bis hin zur Antizipation der Auswanderung aus den bewohnten Orten, die nach wie vor täglich als beunruhigend und entwurzelnd erlebt werden. Mit den Vorbereitungen zur Schaffung einer neuen Siedlung und zur Errichtung einer neuen Gesellschaftsordnung soll das unerfüllte Versprechen der Post-Apartheid endgültig hinter sich gelassen werden.
Die Studie setzt sich mit einem bisher wenig erforschtes Themenfeld auseinander, welches in seiner historischen Einbettung an der Schnittstelle von Raum, Religion und Gesellschaft besondere Eigenheiten mit sich führt: Während der Zeit der Kolonisierung und insbesondere während der Apartheid war Islam als religiöse wie alltagsweltliche Praxis stark mit einem wechselnden, aber anhaltenden Kampf um Identität und Zugehörigkeit verwoben. Islam und muslimisches Leben waren unweigerlich mit den Modi des Ordnens qua Bevölkerungsgruppen, insbesondere der Gruppe der Indian und Coloured verbunden. Dies implizierte eine außerordentlich strukturelle und räumliche Wirkung, da die gemeinschaftliche Praxis des Islam auf die jeweiligen Wohngebiete beschränkt war. Daher ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit muslimischer Praxis in ehemaligen Black/African Gebieten Südafrikas von besonderer Bedeutung, da an diesen Orten sozial-räumlich manifestierte Segregation mit der Segmentierung religiöser Zugehörigkeiten einherging. Geordnete afrikanische Indigenität im Sinne von Kolonialismus und Apartheid war demnach unweigerlich mit Christentum verbunden, während islamische Gemeinschaften in Black/African Gebieten kaum vorzufinden waren. Der Fall der Konversion zum Islam unter der dortigen Bevölkerung ist also auch ein Beispiel für das der Apartheid als religiös begründete Regierungsform der geplanten Segregation innewohnendes Paradoxon der quasi Unberührbarkeit religiöser Orte. Daraus entwickelte sich ein Effekt, welcher sich als religiöse Territorialisierung beschreiben lässt und es während der Apartheid und danach ermöglichte, ein exklusives Gefühl der Zugehörigkeit zu früheren Wohnorten und eine praktische Verbindung zu dem Land aufrechtzuerhalten, von welchem Bewohnerinnen und Bewohner im Sinne der rassistischen Bevölkerungseinteilung vertrieben wurden. Jenseits der konkreten Fallbeispiele bietet die Studie ein konzeptionelles Verständnis für Praktiken und Politiken von Blackness und Muslimness im Lichte indigener Selbstbestimmungsprozesse und damit eine Perspektive auf transgressive Praktiken post-kolonialer Alltagswelten.