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Der Narr in der Oper : eine kulturwissenschaftliche Annäherung.

Titelangaben

Rudolph, Jasmine:
Der Narr in der Oper : eine kulturwissenschaftliche Annäherung.
Bayreuth , 2015 . - 414 S.
( Dissertation, 2015 , Universität Bayreuth, Sprach- und Literaturwissenschaftliche Fakultät)

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Abstract

Die spätmittelalterliche Figur des Hofnarren ist eine markante Erscheinung der europäischen Gesellschafts- und Kulturgeschichte und hat aufgrund ihrer spezifischen Ideen- und Sozialgeschichte in den Künsten - vor allem den Darstellenden - tiefe Spuren. Die Begründung hierfür liegt in ihrem ebenso verstörenden wie faszinierenden Außenseiterpotential, das den Narren aus der Gesellschaft als Normabweichung heraushebt und dadurch zu deren kritischen Spiegel macht. Diese Charaktereigenschaft scheint die Narrenfigur zunächst stärker für das Schauspiel als für die Oper als "Kraftwerk der Gefühle" zu prädestinieren; jedoch bietet das Musiktheater ebenfalls genügend interessantes Material für Untersuchungen. Vor diesem Hintergrund verfolgt diese Arbeit einen diskursanalytischen Ansatz, der die Hofnarrenidee einerseits in ihrer kulturellen Bedeutung und den daraus resultierenden Evolutionsstufen erfasst sowie andererseits die Entwicklung der Hofnarrenidee in der Oper im Sinne einer inventarischen Bestandsaufnahme zusammenführt. Damit einher geht eine erste deskriptive wie tabellarische Dokumentation und Sammlung von Werken, da die Hofnarrenidee in der zeitgenössischen Motivgeschichte der Opernforschung quasi nicht vorhanden ist. Denkt man an den Hofnarren in der Oper, so flackert in diesem Kontext bestenfalls "Rigoletto" (Giuseppe Verdi, 1851) auf - allerdings verbirgt sich eine Vielzahl weiterer kaum entdeckter Hofnarrenidentitäten in der Oper. Die Hofnarrenidee selbst hat zwar seit ihrer Entstehung um 1500 auf vielfältige Multiplikations- und Distributionswege verwiesen, um ihren Platz in den kollektiven Gedächtnisspuren der europäischen Kulturgeschichte zu festigen. Diese sind allerdings in Vergessenheit geraten und werden in den einzelnen geisteswissenschaftlichen Disziplinen in der Regel isoliert, wenn nicht sogar defizitär behandelt. Jene aufzuspüren ist Aufgabe des ersten Teiles der Arbeit, die anhand ihres synchronen Procederes die Profilbildung des Hofnarren anhand seiner Ideen- und Sozialgeschichte nachzeichnet sowie die damit einhergehenden moralphilosophischen Ansätze von Sebastian Brant, Thomas Murner, Erasmus von Rotterdam und Martin Luther untersucht und die Narrenidee auf der Folie von Komiktheorien begreift. In diesem Rahmen spielt die verkehrte Welt des Fastnachtsbrauchtums eine ebenso bedeutende Rolle, da es den Narren in die Literatur der Neuzeit entlässt. Dabei ist die Abgrenzung des Hofnarren von anderen literarischen Narrenfiguren wie etwa Parzival, Don Quijote oder Till Eulenspiegel notwendig, um eine inflationäre Nivellierung des Narrenbegriffs zu vermeiden. Des Weiteren nimmt das literarische Werk von William Shakespeare eine besondere Bedeutung an, da er die Narrenidee vielfach rezipiert und damit den Anstoß für eine bis heute anhaltende Veroperung seiner Hofnarrenfiguren liefert. Im zweiten Teil der Arbeit erfolgt ein diachrones Verfahren, das den Hofnarren vom 17. bis 21. Jahrhundert in der Oper betrachtet und anhand von Einzel- und Mehrfachvertonungen das spannendes Wechselspiel zwischen Opfer- und Täterschaft beschreibt: Unter dem Einfluss unterschiedlicher Musikästhetiken wird aus dem stets "verlachten" Narr ein "lachender" Täter, der in einem subtilen Spiel von Reflexion und Parodie zur Begegnungsfläche von Widersprüchlichkeiten avanciert und damit den diskursiven Zug einer Befreiungsutopie trägt, die sich elementaren Themenbereichen des Lebens widmet. Übergeordnetes Ziel dieser Untersuchung ist es zugleich aufzuzeigen, dass gerade kulturwissenschaftliche Fragestellungen in der jüngsten Opernforschung reiche Forschungserträge verzeichnen können.

Abstract in weiterer Sprache

The late medieval figure of the court jester is a striking phenomenon of European social and cultural history. Its intellectual and social history has a deep influence on the arts (especially the theatre). The reason for that lies in his equally disturbing and fascinating potential of beeing a social outcast, which singles out the fool from the society as an anomaly, whereby the fool becomes indeed a critical mirror of the society. This characteristic attribute seems to predestine the fool more for the legitimate theatre than for the opera as a "power plant of feelings"; however, the music theatre also supplies plenty of interesting material for research. The scientific examination pursues a discourse-analytical approach that detects the concept of the fool on the one hand in its cultural significance and its resulting evolution stages and on the other hand in its development and incidence in the opera by a descriptive and tabulated documentation of fool operas, because the concept of the fool is not considered in contemporary opera research. If anything, only "Rigoletto" (Giuseppe Verdi, 1851) comes into one’s mind; but there is a huge variety of far more undiscovered identities of fools in the opera. Moreover the concept of the fool itself has had referenced since his creation in 1500 in a variety of multiplication and distribution channels in order to consolidate his impact in the collective memory traces of the European cultural history. Though this traces are forgotten; beyond that they appear isolated, if not treated deficient in most humane disciplines. Therefore this examination is divided into two parts: The task of the first part pursues a synchronous procedure that illustrates the philosophical meaning and the social history of the fool, for example by referencing the moral philosophies of Sebastian Brant, Thomas Murner, Erasmus of Rotterdam and Martin Luther. In addition, comic theories explain in more detail the active principle of the fool and its laughter. In this regard the inverted realm of carnival customs plays an equally important role because it releases the fool into the literature of the modern age. It is necessary to demarcate the court jester from other literary figures such as Parzival, Don Quixote or Till Eulenspiegel in order to avoid an inflationary leveling of the fools concept. In this context the literary work of William Shakespeare seems remarkable since he often adapts the conception of folly and thus provides the impetus for the absorption of these varieties of court jesters in the field of opera. The second part of this thesis deploys a diachronic procedure that observes the court jesters from the 17th to the 21st century and describes the fascinating interaction between victimhood and perpetration on the basis of single and multiple scorings: Under the influence of different musical aesthetics the constantly "derided" fool turns into a "sneering" culprit, who advances to an area of contradictions in a subtle game of contemplation and parody. For this reason he holds a discursive disposition of an utopia of liberation, dedicated to fundamental subjects of life itself. A superordinated purpose of this scrutiny is also to point out that particularly in the most recent part of opera studies cultural science-based questions show a comprehensive revenue of research work.

Weitere Angaben

Publikationsform: Dissertation
Keywords: Narr; Narrenidee; Hofnarr; Hofnarrenwesen; Komik; Oper; Musiktheater; Ideengeschichte; Sozialgeschichte; Moralphilosophie; Altes Testament; Neues Testament; Psalmen; satirische Dichtung; Kulturgeschichte; Kulturphilosophie; Sebastian Brant; Narrensymbolik; Fastnacht; Karneval; Vanitas; Vergänglichkeit
Institutionen der Universität: Fakultäten
Fakultäten > Sprach- und Literaturwissenschaftliche Fakultät
Fakultäten > Sprach- und Literaturwissenschaftliche Fakultät > Lehrstuhl Theaterwissenschaft unter besonderer Berücksichtigung des Musiktheaters
Forschungseinrichtungen
Forschungseinrichtungen > Forschungsstellen > Forschungsinstitut für Musiktheater - FIMT
Graduierteneinrichtungen
Graduierteneinrichtungen > University of Bayreuth Graduate School
Forschungseinrichtungen > Forschungsstellen
Titel an der UBT entstanden: Ja
Themengebiete aus DDC: 200 Religion > 200 Religion
200 Religion > 210 Religionsphilosophie, Religionstheorie
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300 Sozialwissenschaften > 390 Bräuche, Etikette, Folklore
700 Künste und Unterhaltung > 700 Künste
700 Künste und Unterhaltung > 780 Musik
800 Literatur > 800 Literatur, Rhetorik, Literaturwissenschaft
900 Geschichte und Geografie > 940 Geschichte Europas
Eingestellt am: 14 Mär 2015 22:00
Letzte Änderung: 14 Mär 2015 22:00
URI: https://eref.uni-bayreuth.de/id/eprint/8381