Literatur vom gleichen Autor/der gleichen Autor*in
plus bei Google Scholar

Bibliografische Daten exportieren
 

Die chemische Ökologie von Kurzflügelkäfern der Gattungen Dianous und Stenus (Coleoptera, Staphylinidae)

Titelangaben

Schierling, Andreas:
Die chemische Ökologie von Kurzflügelkäfern der Gattungen Dianous und Stenus (Coleoptera, Staphylinidae).
Bayreuth , 2013 . - 64 S.
( Dissertation, 2013 , Universität Bayreuth, Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften)

Volltext

Link zum Volltext (externe URL): Volltext

Abstract

Vertreter der Kurzflügelkäfer-Gattungen Stenus und Dianous weisen, wie die meisten Staphylinidae, einen schlanken Körperbau mit reduzierten Elytren auf. Dies führt zu einer erhöhten Beweglichkeit des Abdomens, wodurch Lückensysteme als Habitate erschlossen werden können. Da die reduzierten Elytren das Abdomen jedoch nur unzureichend schützen können, neigen die Käfer zu einer deutlich größeren Anfälligkeit gegen Prädation und Parasitierung. Um diesen Nachteil zu kompensieren, produzieren und speichern Steninae in abdominalen Wehrdrüsen hochgradig biologisch aktive Abwehrverbindungen, die sie auf vielfältige Art und Weise einsetzen. Um neue Einblicke in die komplexe chemische Ökologie der Steninae zu ermöglichen, wurden in der vorliegenden Dissertation die Morphologie, Ultrastruktur und Funktion der Pygidialdrüsen sowie die biologische Aktivität der Abwehrkomponenten und -sekrete untersucht. Durch Analyse der Biosynthese der stickstoffhaltigen Sekretkomponenten und deren Verteilung über verschiedene Arten wurden ferner Aussagen über potentielle evolutive Trends und phylogenetische Zusammenhänge innerhalb der Steninae möglich. Die paarig angelegten Pygidialwehrdrüsen der Steninae erstrecken sich lateral des Darmes und dorsal der Geschlechtsorgane über die letzten drei bis vier Abdominalsegmente. Sie bestehen aus zwei großen Reservoiren mit bandförmig aufgelagertem sekretorischen Gewebe sowie zwei weiteren kleinen Reservoiren mit zugehörigem Drüsengewebe an der Basis der Großen. In beiden sekretorisch aktiven Geweben erfolgt die Sekretproduktion in Drüsenzellen, die einen länglichen inneren Extrazellulärraum aufweisen. Die synthetisierten Produkte werden über zahlreiche Mikrovilli der Drüsenzellenmembran in den Extrazellulärraum abgegeben, wo sie von einem cuticulären Tubulus aufgenommen und zum entsprechenden Reservoir abgeleitet werden. Außerhalb der Drüsenzelle ist der sekretableitende Tubulus von einer Kanalzelle umgeben, die zusammen mit der Drüsenzelle eine Drüseneinheit bildet. Während die großen Reservoire mit den entsprechenden Drüsengeweben in Struktur und Funktion bei allen Steninen konserviert vorliegen, unterliegen die kleinen Reservoire und sekretorischen Gewebe meist starken Reduktionen, die bis hin zur Funktionslosigkeit einzelner Strukturen führen können. Die Sekrete in den großen Reservoiren bestehen aus den Alkaloiden Stenusin, 3-(2-Methyl-1-butenyl)-pyridin und Cicindeloin sowie zum Teil aus deren Dehydro- oder Nor-Verbindungen, wobei sowohl die qualitative, als auch die quantitative Zusammensetzung je nach Art unterschiedlich ausfallen kann. Die kleinen Reservoire enthalten Monoterpene, wie unter anderem 1,8-Cineol, α-Pinen und 6-Methyl-5-hepten-2-on. In Biotests zeigten alle Sekretkomponenten eine signifikante Aktivität als Feeding Deterrent gegen die Ameise Lasius flavus und den Fisch Xiphophorus helleri. Weiterhin war bei den meisten Verbindungen eine deutliche wachstumshemmende Wirkung gegen Bakterien und Pilze feststellbar. Sowohl bezüglich der fraßhemmenden als auch der antimikrobiellen Wirkung zeigten sich hierbei die Alkaloid-Komponenten den Terpenen meist überlegen. In Tests mit zwei reinen Diastereomeren des in vier Stereoisomeren vorkommenden Stenusins zeigte sich über die biologische Aktivität eines Isomerengemisches hinaus, dass Ameisen zwischen verschiedenen Stereoisomeren diskriminieren, während bei Bakterien stets die gleiche Hemmwirkung zu beobachten ist. Die in den großen Reservoiren gespeicherten Alkaloide weisen alle ein identisches Grundgerüst mit N-heterocyclischem Sechsring und verzweigter Alkyl-Seitenkette auf. Über Verfütterung deuterierter Aminosäuren konnte die biogenetische Verwandtschaft der drei Alkaloid-Hauptkomponenten Stenusin, 3-(2-Methyl-1-butenyl)-pyridin und Cicindeloin nachgewiesen werden. In allen drei Fällen wird der N-Heterocyclus aus der Aminosäure L-Lysin, die Seitenkette aus L-Isoleucin gebildet. Die Biosynthese der Alkaloide erfolgt hierbei zunächst identisch, bis hin zu zwei Vorläuferverbindungen, die letztendlich durch wenige chemische Modifikationen in die Sekret-Alkaloide überführt werden können. Bezüglich der Morphologie der Pygidialdrüsen sowie der qualitativen und quantitativen Sekretkomposition sind evolutive Trends innerhalb der Steninae zu erkennen. In den phylogenetisch basalen Arten S. comma und S. biguttatus liegt ein stark ausgeprägtes, voll funktionsfähiges kleines Reservoir und Drüsengewebe an der Basis der großen Reservoire vor. Das Drüsensekret enthält Stenusin, Norstenusin und die im kleinen Reservoir gespeicherten Terpene. Im Laufe der Evolution der Steninae wurde sowohl das kleine Reservoir, als auch das entsprechende Drüsengewebe reduziert und der Terpen-Gehalt des Sekrets minimiert. Desweiteren wurde das Pygidialdrüsensekret zunächst um 3-(2-Methyl-1-butenyl)-pyridin (z.B. S. similis) und später um Cicindeloin (z.B. S. solutus) erweitert, wobei Stenusin und Norstenusin mehr und mehr ersetzt wurden.

Abstract in weiterer Sprache

As typical Staphylinidae, rove beetles of the genera Stenus and Dianous possess a slim body shape and strongly reduced elytra. This body form enhances the flexibility of the abdomen that allows the beetles to better colonize habitats with small interstices, but also significantly increases the susceptibility to predation and parasitism due to the missing protection of the elytra. To compensate for this disadvantage, the Steninae synthesize and store several highly effective defensive compounds in abdominal defense glands. The aim of this dissertation was to gain further insights into the complex chemical ecology of the Steninae. The morphology, ultrastructure and function of the pygidial gland system as well as the biological activity of the defense compounds and secretions were analyzed. Furthermore, hypotheses concerning potential evolutionary trends and phylogenetic relationships within the Steninae were formulated based on analyses of the biosynthesis of the nitrogen containing secretion compounds and their distribution among different species. With regard to the chemical ecology of the Steninae, the pygidial glands are of greatest importance for these beetles. The paired defense glands are located lateral to the gut and dorsal to the genitals in the last three to four segments of the abdomen. They consist of two big reservoirs with a band of secretory tissue, located on the reservoir surface, together with two smaller reservoirs and the corresponding gland tissue situated at the base of the big reservoirs. In both secretory tissues the secretion is produced by gland cells containing an elongated extracellular cavity. The synthesized compounds are secreted via numerous microvilli in the gland cell membrane into the extracellular cavity, where it collects in a cuticular tubulus and is conducted to the corresponding reservoir. External to the gland cell, the tubulus is surrounded by a canal cell, forming together with the gland cell a glandular unit. The structure and function of the big reservoirs and the band of secretory tissue are identic in all Steninae. The small reservoirs, however, as well as their corresponding gland tissues are often more or less reduced and in many species even functionless. The secretions of the big reservoirs consist of the alkaloid compounds stenusine, 3-(2-methyl-1-butenyl)pyridine and cicindeloine and sometimes the nor- or dehydro-derivates of these compounds, whereby the qualitative, as well as the quantitative composition of the secretion is species specific. The small reservoirs contain monoterpenes such as 1,8-cineole, α-pinene and 6-methyl-5-hepten-2-one and related compounds. In bioassays all secreted compounds revealed a significant deterrent activity against the ant Lasius flavus and the fish Xiphophorus helleri. Furthermore, an antimicrobial activity against bacteria and fungi was observed with most secreted compounds. The deterrent, as well as the antimicrobial activity of the alkaloid compounds turned out to be for the most part more effective than the terpenes. In bioassays with two out of four stereoisomers of the chiral compound stenusine ants discriminated between the tested diastereomers, while antibacterial activity was identical with both stenusine isomers. All alkaloids stored in the big reservoirs exhibit the same molecular base structure consisting of an N-heterocyclic six-ring, substituted by a branched alkyl side chain. By feeding deuterated amino acids to the beetles, it was possible to demonstrate a biogenetical relationship between the alkaloids stenusine, 3-(2-methyl-1-butenyl)pyridine and Cicindeloine. In all three compounds the heterocyclic ring structure is synthesized out of L-lysine and the side chain out of L-isoleucine. The biosynthesis of the compounds first follows an identical pathway up to two precursor molecules that can be transformed into the alkaloid products by a few chemical modifications. Concerning the morphology of the pygidial glands, as well as the qualitative and quantitative composition of the Steninae’s pygidial gland secretions, some evolutionary trends can be recognized. The phylogenetically primitive species S. comma and S. biguttatus both possess well developed and completely functional small reservoirs and gland tissue at the base of the big reservoirs. The secretion is made up by stenusine, norstenusine, as well as the terpenes stored in the small reservoirs. During evolution of the Steninae, the small reservoir and the corresponding secretory tissue were reduced and the terpene content of the secretion minimized. Subsequently, the alkaloid repertoire was first extended by 3-(2-methyl-1-butenyl)pyridine and later by cicindeloine, whereas stenusine and norstenusine were step by step replaced by other alkaloids.

Weitere Angaben

Publikationsform: Dissertation
Zusätzliche Informationen: RVK: WI 2500 Dissertation Biologie
Keywords: Staphylinidae; Chemische Ökologie; Biosynthese; Morphologie; Stenus; Dianous; Chemical ecology; Wehrsekret; Defense secretion; Kurzflügler
Institutionen der Universität: Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften > Fachgruppe Biologie
Fakultäten
Fakultäten > Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften
Titel an der UBT entstanden: Ja
Themengebiete aus DDC: 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 500 Naturwissenschaften
Eingestellt am: 01 Mai 2015 11:00
Letzte Änderung: 01 Mai 2015 11:00
URI: https://eref.uni-bayreuth.de/id/eprint/12496