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Quo vadis, DRSC?

Titelangaben

Fülbier, Rolf Uwe ; Gassen, Joachim ; Sellhorn, Thorsten:
Quo vadis, DRSC?
In: Der Betrieb. Bd. 63 (2010) Heft 27-28 . - S. 1.
ISSN 0005-9935

Abstract

Am 28. 6. 2010 hat die außerordentliche Mitgliederversammlung des DRSC e. V. auf Vorschlag des Vorstands beschlossen, den Standardisierungsvertrag mit dem BMJ zum 31. 12. 2010 zu kündigen. Finanzielle Probleme scheinen die Ursache zu sein: Das DRSC konnte in mehr als zehn Jahren nicht genügend Unterstützer für seine dauerhafte Finanzierung gewinnen.

Aber warum ist die Zahlungsbereitschaft so gering? Die Ökonomie kennt hierfür im Wesentlichen drei Gründe: Geringer Nutzen, starke Konkurrenz und Marktversagen. Welche liegen hier vor?

Beginnen wir mit dem Nutzen. Eine 2008 präsentierte Befragungsstudie zur Arbeit des DRSC lieferte keine Hinweise auf fundamentale Schwächen. Dennoch gibt es Kritik. Bemängelt wird eine einseitige Fokussierung auf die Interessen großer, kapitalmarktorientierter Player sowie eine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit beim IASB.

Aus akademischer Sicht geht diese Kritik zum Teil fehl: Standardentwicklung ist keine Interessenvertretung! Beim IASB ist offene Interessenpolitik verpönt. Ein DRSC, das sich zum einseitigen Sprachrohr deutscher Partikularinteressen macht, würde nicht ernst genommen. Letztlich können nur ausgewogene Argumente überzeugen. Diese zu finden erfordert die Expertise und den fundierten sachlichen Input der Nutzer, Ersteller, Prüfer und Regulierer. Naturgemäß machen die für einen solchen Prozess typischen Kompromisse nur selten alle Beteiligten glücklich. Dennoch: Ein Verlust (des Anscheins) seiner Unabhängigkeit würde das DRSC international enorm beschädigen.

Die mangelnde Repräsentation der nicht-kapitalmarktorientierten Unternehmen steht auf einem anderen Blatt und ist auch eng mit dem Finanzierungsproblem verwoben. Eine Umlagefinanzierung analog zur DPR scheidet für das DRSC aus, da seine Aufgaben nach § 342 HGB a priori alle deutschen Bilanzersteller tangieren. Hier wären zwei Szenarien denkbar: Fokussierung auf die Aufgaben, die kapitalmarktorientierte Unternehmen betreffen (mit der Möglichkeit einer Umlagefinanzierung) oder explizite Berücksichtigung auch der Belange nicht-kapitalmarktorientierter Unternehmen. Hierfür wäre zusätzliche fachliche und institutionelle "Mittelstands-Expertise" beim DRSC aufzubauen, z. B. durch die Einführung eines zweiten gleichberechtigten Fachgremiums neben dem DSR, das sich der Rechnungslegung nicht-kapitalmarktorientierter Unternehmen widmete. Allerdings müssten sich diese Unternehmen dann künftig auch an der Finanzierung und der personellen Ausstattung des DRSC adäquat beteiligen.

Zum zweiten Punkt: Hat übermächtige Konkurrenz das DRSC obsolet werden lassen? Wohl kaum. "Die" alternative deutsche Stimme im Rahmen des internationalen Standardisierungsprozesses ist nicht sichtbar. Auch wenn einige Unternehmen und Verbände glauben, künftig ihre Stimme beim IASB direkt geltend machen zu können: Ein unabhängiger nationaler Standardsetzer würde weiterhin gebraucht.

Bleibt als letzter Erklärungsansatz das Marktversagen. Die Leistungen des DRSC sind öffentliche Güter: Alle hätten etwas von ihnen, aber trotzdem ist die kollektive Zahlungsbereitschaft nicht ausreichend. Für die Bereitstellung öffentlicher Güter kommen eine staatliche oder eine privatwirtschaftliche Bereitstellung in Frage. Trotz aller Staatsgläubigkeit dieser Tage scheint die staatliche Lösung wenig attraktiv. Das BMJ und/oder ein dort neu angesiedelter Rechnungslegungsbeirat (§ 342a HGB) dürfte die notwendige Fachexpertise kaum effizienter, unabhängiger und kompetenter bereit stellen können als das DRSC dies derzeit tut (§ 342a Abs. 4 HGB fordert ehrenamtliche Tätigkeit!). Abgesehen davon würde eine staatliche Behörde einer weiteren Politisierung der eigentlich als unabhängig konzipierten (internationalen) Standardsetzung Vorschub leisten. Ein privates Rechnungslegungsgremium gem. § 342 HGB scheint also weiterhin attraktiver.

Organisation und Aufgaben dieses Gremiums sind neu zu diskutieren. Auch wenn künftig die Vertretung Deutschlands beim IASB noch stärker als bisher im Vordergrund stehen dürfte, sollte man nicht vollständig auf Standardsetzungskompetenzen verzichten. Ansonsten besteht die Gefahr, in London und Brüssel nur noch als Interessenvertretung deutscher Unternehmen wahrgenommen zu werden. Gute Sachargumente aus Deutschland hätten es dann (noch) schwerer, international Gehör zu finden.

Eine Lösung darf nicht zu lange auf sich warten lassen. Der Standardisierungsvertrag läuft Ende 2010 aus. Eine klare Alternative zum DRSC ist derzeit nicht sichtbar. Wenn also vermieden werden soll, dass das DRSC "Selbstmord aus Angst vor dem Tode" begeht, muss die Vertragskündigung konstruktive Wirkung entfalten. Schließlich wäre es für die deutsche Rechnungslegungsgemeinde beschämend, wenn rein finanzielle Erwägungen - bei einem Gesamtbudget des DRSC von derzeit etwa 3 Mio. € - tatsächlich dauerhaft eine Lösung verhindern würden.

Weitere Angaben

Publikationsform: Artikel in einer Zeitschrift
Begutachteter Beitrag: Nein
Institutionen der Universität: Fakultäten > Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät > Fachgruppe Betriebswirtschaftslehre > Lehrstuhl Betriebswirtschaftslehre X (Internationale Rechnungslegung)
Fakultäten > Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät > Fachgruppe Betriebswirtschaftslehre > Lehrstuhl Betriebswirtschaftslehre X (Internationale Rechnungslegung) > Lehrstuhl Betriebswirtschaftslehre X (Internationale Rechnungslegung) - Univ.-Prof. Dr. Rolf Uwe Fülbier
Fakultäten
Fakultäten > Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Fakultäten > Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät > Fachgruppe Betriebswirtschaftslehre
Titel an der UBT entstanden: Nein
Themengebiete aus DDC: 300 Sozialwissenschaften > 330 Wirtschaft
Eingestellt am: 07 Jan 2015 13:39
Letzte Änderung: 11 Okt 2023 10:51
URI: https://eref.uni-bayreuth.de/id/eprint/5421