Titelangaben
Sehl, Elmar:
Maßgeschneiderte, nachhaltige, biologisch abbaubare Polyester.
Bayreuth
,
2024
. - IX, 243 S.
(
Dissertation,
2024
, Universität Bayreuth, Bayreuther Graduiertenschule für Mathematik und Naturwissenschaften - BayNAT)
DOI: https://doi.org/10.15495/EPub_UBT_00008048
Abstract
Vor dem Hintergrund steigender Kunststoffproduktion und damit verbundener Probleme im Abfallmanagement und Anreicherung von Mikroplastik in der Umwelt, war das Ziel dieser Arbeit, nachhaltige Materialien zu entwickeln, die zur Vermeidung bzw. Reduzierung von persistentem Mikroplastik in der Umwelt beitragen. Bei modernen Polyestern besteht üblicherweise ein Zielkonflikt zwischen den in der Nutzungsphase erforderlichen Eigenschaften und biologischer Abbaubarkeit. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt darin, eine Balance dieser Eigenschaften von maßgeschneiderten Polyestern zu schaffen, um diese z.B. im Verpackungsbereich nutzbar zu machen.
Hochreines meso-Mandelid wurde durch ringöffnende Polymerisation in Substanz und Lösung bei hohen Umsätzen zu amorphen (Co-)Polyestern mit einer Glasübergangstemperatur von bis zu 90 °C umgesetzt. Durch den Einsatz eines bifunktionellen Initiators wurde telecheles Poly(mandelid) mit einer Molmasse von 40000 g·mol⁻¹ erhalten. Eine Verarbeitung zu formstabilen Filmen war aufgrund hoher Sprödheit allerdings nicht möglich. Da diese Sprödheit auch für die resultierenden Polymere weiterer, sterisch anspruchsvoll funktionalisierter 1,4-Dioxan-2,5-dion-basierter Monomerbausteine erwartet wurde, wurde die Syntheseroute der ringöffnenden Polymerisation neuer Strukturen nicht weiterverfolgt.
Durch Polykondensation von Bernsteinsäure (S), 1,4-Benzoldimethanol (BDM) und 1,4-Butandiol (B) wurden (Co-)Polyester in einem industrienahen, skalierbaren Verfahren erhalten, welche als PBxBDMyS bezeichnet werden. Die Nutzung von 1,4-Benzoldimethanol als steife, aromatische Comonomereinheit soll dem Polyester mechanische Stabilität verleihen, während die aliphatische Methylen-Einheit des Succinats in α-Position zum Estercarbonyl weiterhin eine gute Hydrolysierbarkeit gewährleisten soll. Temperexperimente optimierten die Verarbeitung der erhaltenen, hochmolekularen (Co-)Polyester zu homogenen Filmen und garantierten eine Reproduzierbarkeit des Eigenschaftsprofils. Es wurde gezeigt, dass durch den Einbau rigider, aromatischer Monomerbausteine die mechanischen Eigenschaften von flexibel bis steif und spröde eingestellt werden konnten. Dabei kam besonderes Interesse der Komposition PB₆₀BDM₄₀S zu, welche bezüglich E-Modul, Zugfestigkeit und Bruchdehnung low-density-Polyethylen ähnelte. Das Hydrolyseverhalten der synthetisierten (Co-)Polyester wurde detailliert bis hin zu einem vollständigen Abbau untersucht. Poly(1,4-benzoldimethylensuccinat) (PBDMS) wies dabei eine fast fünfmal schnellere basische Hydrolyserate als Poly(butylenterephthalat) auf, was die Hypothese bestätigte, dass Polyester mit einer aliphatischen Einheit in α-Position zum Estercarbonyl schneller hydrolysieren als mit einer aromatischen Einheit. Bei enzymatischen Hydrolyseversuchen zeigten die Copolyester vollständigen Abbau unter milden Bedingungen bei selbst sehr niedrigen Esterasekonzentrationen. Hierbei wurde gezeigt, dass Kompositionen wie PB₆₀BDM₄₀S in weniger als 24 h rückstandsfrei hydrolysierten. Die schnelle Hydrolyse mit diesem Enzym zeigt nicht nur die biologische Abbaubarkeit solcher Materialien, sondern unterstreicht auch das große Potenzial für biochemisches Recycling. Sowohl für die basische, als auch für die enzymatische Hydrolyse wurde die Dominanz eines Oberflächenerosions-Mechanismus verifiziert. Im basischen Milieu konnte eine starke Abhängigkeit der Hydrolyserate von der Hydrophobizität der Polyester gezeigt werden. Bei der enzymatischen Hydrolyse wurden sowohl die Hydrophobizität, als auch Kristallinität als die geschwindigkeitsbestimmenden Parameter identifiziert.
PB₆₀BDM₄₀S wurde mit einer 3 µm dicke, homogene Hectorit-Nanokomposit-Beschichtung versehen, um dessen Einsatz als bioabbaubares Barrierematerial zu ermöglichen. Die mechanischen Eigenschaften des beschichteten PB₆₀BDM₄₀S ähnelten weiterhin LDPE. Während unbeschichtetes PB₆₀BDM₄₀S bereits eine für biologisch abbaubare Polymere akzeptable Sauerstoffdurchlässigkeit aufwies, wurde diese für Nanokomposit-beschichtetes PB₆₀BDM₄₀S um mehr als das 200-fache gesenkt, was es mit Hochleistungsbarrierematerialien konkurrenzfähig macht. Durch die Beschichtung wurde die enzymatische Hydrolyserate nur geringfügig verringert. Kompostierungsversuche bestätigten den vollständigen Abbau von PB₆₀BDM₄₀S in weniger als 5 Wochen. Das beschichtete Substrat konnte in weniger als 8 Wochen kompostiert werden. Bulk-Erosion wurde als vorherrschender Abbaumechanismus nachgewiesen und eine vollständige Mineralisierung wurde mit Extraktionsexperimenten gezeigt.
Durch Einbringen von 4,4′-Biphenyldimethanol in die Struktur von PBDMS wurden Polyester mit erhöhter Glasübergangs- und Schmelztemperatur hergestellt. Hierbei zeigte Poly(4,4′-biphenyldimethylensuccinat) exzellente thermische Stabilität, eine Glasübergangstemperatur von 57 °C und einen Schmelzpunkt von 192 °C. Somit wurde die Hypothese bestätigt, dass durch Einbringen starrer, aromatischer Strukturen in Succinat-basierte Systeme ein PBT-ähnliches Eigenschaftsprofil erzielt werden kann. Die Synthese- und Verarbeitung von solchen (Co-)Polyestern birgt zwar noch Entwicklungsbedarf, bietet jedoch auch großes Potential steife Polyester mit leicht hydrolysierbaren, α-aliphatischen Ester-Carbonyl-Gruppen zu erhalten. Weitere Modellversuche zeigten, dass Bis(4-(2-hydroxyethoxy)phenyl)sulfon (HEPS) und 1,1-Cyclohexandiessigsäure (CHDAA) ideale Bausteine für vollständig amorphe Polyester darstellen. Durch Substitution herkömmlicher Polyesterbausteine kann die Kristallinität resultierender Polymere reduziert oder vollständig verhindert werden. Das amorphe Polykondensat aus HEPS und Bernsteinsäure wies einen Glasübergangstemperatur von 72 °C auf. Somit bedeutet eine Substitution von 1,4-Butandiol durch HEPS in Succinat-basierten Polyestern eine Glasübergangstemperaturerhöhung um mehr als 100 °C, was diese Materialien auch im amorphen Zustand in einen für plastische Anwendungen nutzbaren Bereich bringt.
Abschließend wurde Poly(DL-lactid-co-glycolid) (PLGA) in einer skalierbaren bulk-Polymerisation mit definiertem Comonomergehalt synthetisiert, um es als Blendkomponente zur Anpassung des Eigenschaftsprofils von Poly(L-lactid) (PLLA) zu verwenden. Mehrere Verarbeitungsverfahren wurden getestet, um homogene PLLA-PLGA-Blend-Filmen reproduzierbar herzustellen. Diese Blends wiesen einen um etwa 30 % höheren E-Modul und Zugfestigkeit im Vergleich zur PLLA-Referenz auf. In Kompostierungsversuchen zeigten diese Blends eine Fragmentierung in weniger als vier Wochen. Weitere Analysen zeigten bei den Blends eine höhere Molekulargewichtsreduktion als bei den PLLA-Referenzen. Dies lies Rückschlüsse auf die Hypothese eines beschleunigten Abbaus durch das Einbringen von PLGA in eine PLLA-Matrix zu.
Abstract in weiterer Sprache
Against the background of increasing plastic production, related problems in waste management and accumulation of microplastics in the environment, the aim of this work was to develop sustainable materials contributing to the prevention or reduction of persistent microplastics in the environment. For state-of-the-art polyesters there is usually a trade-off between properties required in the use phase and biodegradation. The focus of this work is on balancing these properties by tailoring polyesters for e.g. packaging applications.
High-purity meso-mandelide was converted to amorphous (co-)polyesters with glass transition temperatures up to 90 °C by ring-opening polymerization in bulk and solution at high conversions. By using a bifunctional initiator, telechelic poly(mandelide) with a molecular weight of 40000 g·mol⁻¹ was obtained. However, processing into dimensionally stable films was not possible due to high brittleness. Since this brittleness was also expected for the resulting polymers of further sterically demanding functionalized 1,4-dioxane-2,5-dione-based monomeric building blocks, the synthesis route of ring-opening polymerization of new structures was not pursued.
Polycondensation of succinic acid (S), 1,4-benzenedimethanol (BDM), and 1,4-butanediol (B) led to (co-)polyesters, which are referred to as PBxBDMyS. The use of 1,4-benzenedimethanol as a stiff aromatic comonomer unit is expected to impart mechanical stability to the polyester, while the aliphatic methylene unit in α-position to the ester carbonyl is expected to further ensure good hydrolyzability. Annealing experiments optimized the processing of the (co-)polyesters into homogeneous films and guaranteed reproducibility of the property profile. By incorporating rigid aromatic monomer building blocks it was shown that the mechanical properties could be tuned from flexible to stiff and brittle. Of particular interest was the composition PB₆₀BDM₄₀S, which resembled low-density polyethylene in terms of mechanical properties. The hydrolysis behavior of the synthesized (co-)polyesters was studied up to complete degradation. Poly(1,4-benzenedimethylene succinate) (PBDMS) showed a five times faster basic hydrolysis rate than poly(butylene terephthalate), confirming the hypothesis that polyesters with an aliphatic unit in α-position to the ester carbonyl hydrolyze faster than those with an aromatic unit. In enzymatic hydrolysis experiments, the copolyesters showed complete degradation under mild conditions. Here, it was shown that compositions such as PB₆₀BDM₄₀S hydrolyzed in less than 24 h without leaving any residues. The rapid hydrolysis with enzymes not only demonstrates the biodegradability of such materials, but also underlines the great potential for biochemical recycling. The dominance of a surface erosion mechanism was verified for both basic and enzymatic hydrolysis. A strong dependence of the hydrolysis rate on the hydrophobicity of the polyesters was shown in the basic environment. In the case of enzymatic hydrolysis, both hydrophobicity and crystallinity were identified as the rate-determining parameters.
PB₆₀BDM₄₀S was coated with a 3 µm thick hectorite nanocomposite coating to enable its use as a biodegradable barrier material. While uncoated PB₆₀BDM₄₀S already had an oxygen transmission rate acceptable for biodegradable polymers, it was reduced by more than 200-fold for nanocomposite-coated PB₆₀BDM₄₀S, making it competitive with high-performance barrier materials. The coating barely reduced the enzymatic hydrolysis rate. Composting experiments confirmed complete degradation of uncoated and coated PB₆₀BDM₄₀S in less than five and eight weeks, respectively. Bulk erosion was shown to be the predominant degradation mechanism and complete mineralization was demonstrated with extraction experiments.
By introducing 4,4′-biphenyldimethanol into the structure of PBDMS, polyesters with increased glass transition and melting temperature were prepared. Here, poly(4,4′-biphenyldimethylene succinate) showed a glass transition temperature of 57 °C and a melting point of 192 °C. Thus, the hypothesis that a PBT-like property profile can be obtained by introducing rigid aromatic structures into succinate-based systems was confirmed. The synthesis and processing of such (co-)polyesters still requires development, but also offers great potential to obtain rigid polyesters with easily hydrolyzable, α-aliphatic ester carbonyl groups. Further model experiments showed that bis(4-(2-hydroxyethoxy)phenyl)sulfone (HEPS) and 1,1-cyclohexanediacetic acid (CHDAA) are ideal building blocks for amorphous polyesters. By substituting conventional polyester building blocks, the crystallinity of resulting polymers can be reduced or completely prevented. The amorphous polycondensate of HEPS and succinic acid exhibited a glass transition temperature of 72 °C. Thus, substitution of HEPS for 1,4-butanediol in succinate-based polyesters implies a glass transition temperature increase of more than 100 °C, lifting these materials into a range useful for plastic applications in the amorphous state.
Finally, poly(DL-lactide-co-glycolide) (PLGA) was synthesized to be used as a blend component to adjust the property profile of poly(L-lactide) (PLLA). Several processing methods were tested to reproducibly manufacture homogeneous PLLA-PLGA blend films. These blends exhibited approximately 30% higher Young′s modulus and tensile strength compared to PLLA. In composting tests, these blends showed fragmentation in less than four weeks. Further analysis showed higher molecular weight reduction in the blends than in the PLLA references. This allowed conclusions to be drawn regarding the hypothesis of accelerated degradation due to the incorporation of PLGA into a PLLA matrix.