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Organallokation im Spannungsfeld zwischen Erfolgsaussicht und Dringlichkeit : Ein Discrete Choice Experiment zur Erhebung von Präferenzen in der Bevölkerung

Titelangaben

Dao Van, May ; Lauerer, Michael ; Schätzlein, Valentin ; Nagel, Eckhard:
Organallokation im Spannungsfeld zwischen Erfolgsaussicht und Dringlichkeit : Ein Discrete Choice Experiment zur Erhebung von Präferenzen in der Bevölkerung.
In: Das Gesundheitswesen. Bd. 78 (2016) Heft 7 . - S. 454-459.
ISSN 1439-4421
DOI: https://doi.org/10.1055/s-0042-107668

Abstract

Ziel: Gemäß Transplantationsgesetz sind Spenderorgane in Deutschland insb. nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit zu vermitteln. Jedoch stehen die Ziele dieser Leitkriterien – die effiziente Nutzung knapper Organe und die Deckung des größten Bedarfs – im Konflikt, da die Erfolgsaussicht einer Transplantation (TX) mit steigender Dringlichkeit regelmäßig sinkt. Die für konkrete Zuteilungsregeln notwendige Gewichtung unterscheidet sich in den geltenden Richtlinien je nach Organ. Dies ist nur zum Teil medizinisch begründbar, sodass die Auseinandersetzung mit dem Zielkonflikt aufgrund der weitreichenden Folgen der Allokation unverzichtbar ist. Dazu zählt auch die Berücksichtigung von Präferenzen der Bevölkerung.

Methodik: In einer Pilotstudie wurden Präferenzen von 250 Teilnehmern mittels Discrete Choice Experiment erhoben. Die Choice-Sets umfassten für die Vergabe eines Organs je 2 Patienten, die mit 3 erfolgs- und 2 dringlichkeitsbezogenen Attributen beschrieben wurden. Die Auswertung erfolgte per Counting Analysis, Hierarchical Bayes Schätzung sowie Subgruppenanalysen mit Student’s t-Tests.

Ergebnisse: Alle Attribute beeinflussten die Wahlentscheidungen signifikant (p≤0,01). Patienten mit höherer Erfolgsaussicht bzw. Dringlichkeit wurden präferiert. Insgesamt waren Erfolgsaussicht und Dringlichkeit etwa gleichbedeutend (53 bzw. 47%). Die Wichtigkeit der Attribute konnte wie folgt quantifiziert werden: Die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit nach TX wurde mit 31%, die erwartete Lebensqualität nach TX und die OP-Überlebenswahrscheinlichkeit mit je 11%‚ die 3-Monats-Sterbewahrscheinlichkeit vor TX mit 35% und die Lebensqualität vor TX mit 12% gewichtet. Subgruppenanalysen zeigten signifikante Unterschiede.

Schlussfolgerung: In der Pilotstudie gelang es, die Gewichtung der Leitkriterien Erfolgsaussicht und Dringlichkeit organunspezifisch zu analysieren. Derartige Erkenntnisse ermöglichen einen Abgleich zwischen bestehenden Vergaberegeln und Präferenzen der Bevölkerung. Sie können für Entscheidungsträger hilfreich sein, Präferenzen der Bevölkerung bei der Entwicklung organspezifischer Richtlinien zu berücksichtigen. Eine stärkere Einbeziehung der Bevölkerung in die Entscheidungsfindung kann das Vertrauen in die Transplantationsmedizin stärken, die Spendebereitschaft erhöhen, dem Organmangel und damit auch der Tragik des Verteilungskonflikts entgegenwirken. Die Fortführung des Projekts ist daher angezeigt.

Abstract in weiterer Sprache

Objective: According to the German Organ Transplantation Act, donor organs must be allocated with particular regard to chance of success and urgency. However, the objectives of these guiding criteria – the efficient use of available organs and meeting the most urgent need – are in conflict with each other, as success rate of transplantation (TX) ordinarily diminishes when urgency increases. Current allocation guidelines balance these criteria differently depending on the organ. This is only justified in part by medical reasons. Thus, further considerations are essential to develop consistent allocation rules. Therefore, a discussion on the stated trade-off considering the far-reaching consequences of such allocation decisions is indispensable. This also implies taking account of public preferences.

Methods: In this pilot study, preferences of 250 participants were assessed using a Discrete Choice Experiment. Choice-sets for the allocation of a donor organ included 2 patients, who were characterized by 3 success- and 2 urgency-based attributes. Data analysis was performed by Counting Analysis and Hierarchical Bayes estimation as well as Student’s t-tests for subgroup analysis.

Results: All attributes influenced allocation decisions significantly (p≤0.01). Both, patients with greater chance of success and higher urgency were preferred. As a whole, chance of success and urgency were equally important for the allocation of organs (53 and 47%, respectively). The importance of the success- and urgency-based criteria was quantified as follows: The post-TX 5-year probability of survival was weighted with 31%, the expected post-TX quality of life and the surgery survival rate with 11% each, the pre-TX 3-month mortality with 35% and the pre-TX quality of life with 12%. Subgroup analysis revealed significant differences.

Conclusion: The pilot study was successful in analyzing the balance of the guiding criteria chance of success and urgency without referring to a specific kind of organ. This type of results allows comparing current allocation rules and public preferences. These results could help decision makers to take into account public preferences developing organ-specific guidelines. A stronger involvement of citizens in decision making could gain confidence in transplantation medicine, increase the willingness to donate and potentially counteract the scarcity of organs and thereby the tragedy of the distributional conflict. Therefore the continuation of this project is advisable.

Weitere Angaben

Publikationsform: Artikel in einer Zeitschrift
Begutachteter Beitrag: Ja
Keywords: Organallokation; Transplantation; Discrete Choice Experiment; Choice-Based Conjoint Analyse; Präferenzen der Bevölkerung
Institutionen der Universität: Fakultäten
Fakultäten > Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Fakultäten > Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät > Lehrstuhl Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften
Fakultäten > Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät > Lehrstuhl Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften > Lehrstuhl Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften - Univ.-Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Eckhard Nagel
Titel an der UBT entstanden: Ja
Themengebiete aus DDC: 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 610 Medizin und Gesundheit
Eingestellt am: 11 Mai 2020 08:13
Letzte Änderung: 08 Aug 2023 07:06
URI: https://eref.uni-bayreuth.de/id/eprint/54258