Titelangaben
Renz, André:
Wahrnehmungsverzerrungen von Steuern : Experimentelle und theoretische Analysen aktueller Resultate der verhaltenswissenschaftlichen Steuerforschung im Kontext eines erweiterten Forschungszyklus.
Bayreuth
,
2017
. - 174, XXXII S.
(
Dissertation,
2016
, Universität Bayreuth, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät)
Abstract
Die als nur schwer durchdringlich wahrgenommene Steuergesetzgebung ist per se prädestiniert für die Provokation habitueller Fehlwahrnehmungen und –verzerrungen, die im kognitiven System der Informationsverarbeitung so funktionale Anpassungen bzw. Reduktionen von empfundenen Komplexitäten erzielen sollen. Obgleich also die tatsächliche Perzeption von steuerlichen Größen und Steuerverhalten unter der Abwesenheit rationalen Agierens in zahlreichen Studien fokussiert wird, folgt die Ursacheninterpretation der Verzerrungen häufig tendenziell einen konjunktiven Charakter. Die Ableitung genereller Implikationen für die Realität bleibt damit nur sehr eingeschränkt möglich. Darin äußert sich ein Dilemma der verhaltenswissenschaftlichen Steuerforschung, das im Rahmen der vorliegenden Dissertation mithilfe eines dreiteiligen Forschungszyklus aufgearbeitet wird. Der Forschungszyklus konstruiert sich aus einer Kombination experimenteller, empirischer und theoretischer Untersuchungen. Hierzu wird im Teil A der Dissertation zunächst eine Experimentalstudie zur Wahrnehmung steuerlicher Subventionen aus der Sicht einer Metaposition neu analysiert, diskutiert und beurteilt. Die Analyse zeigt, dass eine generelle Verzerrung, ausgelöst durch Framingeffekte und Komplexität, zwar bestätigt werden kann, eine Verzerrung aufgrund von Steueraversion hingegen abzulehnen ist. Darauf aufbauend wird zur Überprüfung der allgemeinen Verzerrungstendenz die Basisstudie im Teil B systematisch repliziert. Ergänzt durch ein theoretisches Plädoyer für die immanente Notwendigkeit von direkten Vergleichsstudien, zeigt der zweite Teil der Arbeit das Phänomen fragiler Kausalitäten auf und kann darüber hinaus die Konstruktion der Basisstudie als valide bestätigen. Die Präferenzstruktur der untersuchten Subventionen zeigt hingegen signifikante Abweichungen zwischen Original- und Replikationsstudie. Im Teil C wird schließlich der Fokus von der Kausalität der Beweisführung auf die konkrete Argumentationsdeterminante der Steueraversion verlagert. Mithilfe einer emotionspsychologischen Beweisführung wird das Phänomen der Steueraversion zunächst definiert und analysiert. Ferner wird ein Bewertungsmodell abgeleitet, welches steueraversive Handlungen konkreter greifbar und interpretierbar machen soll. Unter Einbezug sämtlicher Teilresultate schließt der konstruierte Forschungszyklus mit dem Ergebnis, dass die verhaltenswissenschaftliche Steuerforschung zur Überwindung des Dilemmas vager Ursacheninterpretationen und fragiler Kausalitäten das diametrale Verständnis von rationalem und irrationalem Verhalten durch die Annahme begrenzt rationalen Verhaltens erweitern soll. In der finalen Konsequenz erweitert sich der rational-irrationale Ergebnisraum um den heuristischen Bereich. Im konkreten Fall der Steueraversion wird das Begriffsverständnis auf steueraversive Tendenzen korrigiert.
Abstract in weiterer Sprache
The tax law, often perceived as very complicated, is predestined to provoke habitual misrepresentations and distortions in the cognitive system of information processing in order to reduce or functionally adapt to perceived complexities to make them more manageable. Although the actual perception of tax variables and tax behaviour is the focus of numerous studies, the causal interpretation of the distortions often tends to have a conjunctive character. Consequently, very few general implications for reality can derived. This dilemma of behavioural science research is the topic of this dissertation. It is designed as a three-part research cycle: a combination of experimental, empirical and theoretical studies. In Part A of the dissertation, an experimental study of the perception of tax subsidies is analysed, discussed and assessed from a meta-position. This analysis confirms a general distortion caused by framing effects and complexity. A distortion due to tax evasion however is to be rejected. Based on this, the baseline study in Part B is systematically replicated to verify the general tendency to distort. Completed by a theoretical argument for the necessity of direct comparative studies, the second part of the dissertation shows the phenomenon of fragile causalities and can also confirm the construction of the basic study. The preference structure of the examined subsidies, however, shows significant differences between the original and the replication studies. Finally, in Part C, the focus shifts from the causality of the line of argument to the concrete argumentation determinant of the tax evasion. The phenomenon of tax evasion is initially defined and analysed by means of emotional psychology. A valuation model is derived, which should make tax-evasive actions more tangible and interpretable. Including all partial results, the constructed research cycle concludes that in order to to overcome the dilemma of vague causal interpretations and fragile causalities, behavioral science tax research should extend the diametrical understanding of rational and irrational behaviour by assuming limited rational behaviour. Ultimately, the rational-irrational space expands to the heuristic area. In the specific case of tax evasion, the conceptual understanding is corrected for tax-evidencing tendencies.