Titelangaben
Bauer, Joschka:
Wechselwirkungen zwischen Assemblierungsdomänen von Spinnenseidenproteinen.
Bayreuth
,
2018
. - 148 S.
(
Dissertation,
2018
, Universität Bayreuth, Bayreuther Graduiertenschule für Mathematik und Naturwissenschaften - BayNAT)
Angaben zu Projekten
Projektfinanzierung: |
Deutsche Forschungsgemeinschaft |
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Abstract
Die Dragline-Seide der Spinne ist auf Grund der außergewöhnlich hohen Zähigkeit von allen biologischen Fasern die wohl am besten untersuchte. Der Dragline-Seidenfaden besteht neben anderen Bestandteilen hauptsächlich aus den Major ampullate Spinnenseidenproteinklassen (Spidroinen) MaSp1 und MaSp2. Die Spidroine bestehen aus nicht-repetitiven N- (NRN) und C-terminalen (NRC) Fünf-Helix-Bündeln und einer intrinsisch unstrukturierten und aus repetitiven Modulen aufgebauten Kerndomäne. Die Aminosäuresequenzen der terminalen Domänen sind zwischen den Spidroinen verschiedener Spinnenspezies und Seidenarten hochkonserviert, was deren Wichtigkeit für den Spinnprozess unterstreicht. Das parallel ausgerichtete Dimer von NRC verbindet zwei Spidroine und wird in den meisten MaSp über eine Disulfidbrücke stabilisiert. Dahingegen liegt NRN bei den Lagerungsbedingungen in der Spinndrüse als stabiles Monomer vor. Obwohl beide terminalen Domänen die Löslichkeit der Spidroine während der Lagerung erhöhen, initiieren sie ebenso die Selbstassemblierung der repetitiven Module entlang des Spinntrakts. Hier treten Scherkräfte auf, die hydrophobe Bereiche des NRC-Dimers exponieren und zusammen mit einer ansteigenden Kaliumphosphatkonzentration die intermolekularen Interaktionen zwischen den hydrophoben Modulen der Kerndomäne verstärken. Zum anderen ändert NRN nach der simultanen Absenkung des pH-Wertes und der Natriumchloridkonzentration die Konformation seines Fünf-Helix-Bündels und bildet antiparallele Dimere aus, sodass die über NRC dimerisierten Spidroine zu langen Proteinketten quervernetzt werden.
In dieser Arbeit wurden die Prozesse, die während der Spidroinselbstassemblierung ablaufen, auf molekularer Ebene im Detail analysiert. Die pH- und Salz-induzierte Änderung der Tertiär- und Quartärstruktur (sprich Dimerisierung) von NRN wird über die Neutralisierung von negativ geladenen Carboxylatseitengruppen vermittelt. Um die Rolle der hochkonservierten Asparagin- (D39) und Glutaminsäuren (E76, E81, E114) während der Dimerbildung und Strukturänderung zu identifizieren, wurden einzelne oder multiple Ladungen von NRN1L.h. aus Latrodectus hesperus MaSp1 durch die Substitution mit den nicht-titrierbaren Analoga Asparagin und Glutamin neutralisiert bzw. durch Austausch mit Arginin umgekehrt. Die resultierenden Varianten wurden rekombinant in dem Wirtsorganismus Escherichia coli hergestellt und mittels chromatographischer Trennverfahren gereinigt. Durch Charakterisierung der Varianten mit Mehrwinkel-Lichtstreuungsexperimenten bei Lösungsmittelbedingungen, die während der Lagerung und Assemblierung in der Spinndrüse vorliegen, wurde die Variante E114Q als nahezu pH-unabhängiges Dimer identifiziert. In Folge dessen steuert die Protonierung der Glutaminsäure E114 die pH-abhängige Dimerbildung. Zudem führte eine Ladungsumkehr in der Dimerisierungsschnittstelle selbst bei Dimer-favorisierenden Bedingungen zu einer signifikanten Stabilisierung der Variante D39R im monomeren Zustand.
Mittels CD-, Fluoreszenz- und NMR-Spektroskopie durchgeführte Strukturanalysen der Varianten von NRN1L.h. ergaben, dass die pH-abhängige Strukturänderung von Konformation I zu der eng gepackten Konformation II über die Neutralisierung der kumulierten D39, E76 und E81 gesteuert wird und unabhängig von der Dimerisierung abläuft. Die Struktur einer Dreifachmutante mit neutralisiertem sauren Cluster (3* = D39N-E76Q-E81Q) wurde in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Biopolymere (Universität Bayreuth) mittels Kernspinresonanzspektroskopie bestimmt. In der Variante 3* reduzierte die dauerhafte Neutralisierung der kumulierten negativen Ladungen die elektrostatische Abstoßung zwischen Helix 2 und 3, wodurch das Fünf-Helix-Bündel in der eng-gepackten Konformation II stabilisiert wurde.
Im nächsten Schritt wurde der Zusammenhang zwischen der Dimerisierung von NRN und der Assemblierung der repetitiven Module der Kerndomäne untersucht. Dafür wurden neben NRN1L.h. die im monomeren (D39R) und dimeren (3** = E76Q-E81Q-E114Q) Zustand stabilisierten NRN1L.h.-Varianten über einen kurzen Linker mit 12 Wiederholungen der rekombinanten (AQ)-Module, die nach der Konsensussequenz der Kerndomäne des Araneus diadematus Fibroin 3 entworfen wurden, zu dem Konstrukt wtN1L-(AQ)12 fusioniert. Das pH-abhängige Monomer-Dimer Gleichgewicht des resultierenden wtN1L-(AQ)12 sowie die Stabilisierung von D39R-(AQ)12 im monomeren und 3**-(AQ)12 im dimeren Zustand wurde durch Addition der rekombinanten Kerndomäne nicht beeinflusst. Im Gegensatz dazu unterdrückte die Fusion von NRN1L.h. und insbesondere die Addition des im monomeren Zustand stabilisierten D39R die Scherkraft- und KPi-induzierte Assemblierung der repetitiven Module, wohingegen der dimere Zustand die Kinetik der Selbstassemblierung antrieb und die Bildung fibrillärer Aggregate unterstützte.
Während NRN1L.h. im sauren pH-Bereich im dimeren Zustand stabilisiert wurde, offenbarte NRC1L.h. aus L. hesperus MaSp1 eine partielle Entfaltung bei nicht-physiologischen pH-Werten von < 5,0. Dabei begünstigte die Exponierung hydrophober Bereiche die Bildung unstrukturierter Aggregate mit erhöhtem β-Faltblattanteil, allerdings unterschied sich die unspezifische Aggregation von NRC1L.h. deutlich von der dynamischen, kontrollierten und reversiblen Assemblierung natürlicher und rekombinanter Spidroine. Während NRC1L.h. in dem Fusionskonstrukt NRC1-(AQ)12 die Scherkraft-induzierte Assemblierung und Ausrichtung der rekombinanten Kerndomäne im physiologischen pH-Bereich unterstützte, ging die natürliche Funktion als mechano-sensitiver Schalter bei sauren, nicht-physiologischen pH-Werten verloren.
Neben den Strukturen der Termini wurden ebenfalls die Wechselwirkungen zwischen den beiden molekularen Schaltern charakterisiert. Zwischen NRN1L.h. und NRC1L.h wurden bei Lösungsmittelbedingungen, die in der Spinndrüse bei der Lagerung und im Spinntrakt bei der Assemblierung der Spidroine vorliegen, keine intermolekularen Interaktionen ausgebildet. Indem der Übergang von löslichen zu assemblierten Spidroinen Ionen-sensitiv über die NRN-Domäne und zudem Scherkraft-induziert über die NRC-Domäne initiiert wird, steuern die terminalen Domänen die Spidroinassemblierung unabhängig voneinander über einen doppelt abgesicherten Kontrollmechanismus.
Abstract in weiterer Sprache
Spider’s dragline fiber, best known as one of the toughest biopolymers, is mainly composed of two types of major ampullate spider silk proteins (spidroins), abbreviated as MaSp1 and MaSp2. The spidroins contain non-repetitive N- and C-terminal domains, NRN and NRC, respectively, which are both folded into five-helix-bundles. In contrast, the intrinsically unstructured core domain is made of repetitive modules. The NRN and NRC domains are highly conserved between spider species and silk types, suggesting they play an important role during the spinning process. While NRC permanently connects two spidroins by forming a disulfide-linked, parallel dimer, NRN is monomeric at storage conditions. The terminal domains increase the spidroin’s solubility during storage, however, they also trigger the self-assembly. Environmental factors in the spinning duct, which catalyze this process, include shear forces, pH drop and ion swapping. Shear forces induce the exposure of hydrophobic patches of the NRC dimers. Further, the addition of potassium phosphate and removal of sodium chloride strengthen the intermolecular interactions between the hydrophobic core modules. The simultaneous drop of pH and sodium chloride concentration triggers antiparallel dimerization of NRN, physically crosslinking the spidroins into an interconnected network.
In this work, the mechanisms of the spidroin assembly were investigated on the molecular level. The pH-dependent changes of the tertiary and quaternary structure (i.e. dimerization) of NRN are mediated by acidification-induced neutralization of negatively charged carboxylate groups of conserved acidic amino acids. The role of highly conserved aspartic (D39) and glutamic acids (E76, E81, E114) during dimerization and structural conversion was identified by replacing single or multiple acidic residues of NRN1L.h. of Latrodectus hesperus MaSp1 by their non-titratable analogues asparagine and glutamine or by their basic antagonist arginine. The resulting variants of NRN1L.h. were recombinantly produced using Escherichia coli as a host system, and subsequently purified using a chromatographic separation strategy. The variants were characterized at solvent conditions that are found during spidroin storage and assembly by performing multi-angle light scattering measurements. Variant E114Q was stabilized as an almost pH-independent dimer, and, accordingly, the pH-sensitive dimer formation is mediated by protonation of glutamic acid E114. Reversing a charge within the dimerization interface significantly stabilized the monomer state even at dimer-favoring solvent conditions.
Structural analysis by CD-, fluorescence and NMR spectroscopy exhibited that the pH-induced structural conversion between conformation I and the tightly packed conformation II is mediated independently of the dimerization by protonation of the clustered acidic residues D39, E76 and E81. The NMR structure of a triple mutant with neutralized acidic cluster was determined in cooperation with the Department of Biopolymers (University of Bayreuth). Neutralizing the accumulated charges reduced the electrostatic repulsion between helix 2 and 3, which induced the reorganization of the five-helix bundle into the tightly packed conformation II.
In the next step, the relation between dimerization of NRN and assembly of the repetitive core modules into fibrillary assemblies was studied. Wild-type NRN1L.h. as well as stable monomers (D39R) and dimers (3** = E76Q-E81Q-E114Q) were fused via a short linker (L) with twelve repeats of a previously established engineered core module (AQ) designed based on the consensus sequence of Araneus diadematus fibroin 3. The pH-dependent monomer-dimer equilibrium of the resulting wtN1L-(AQ)12 as well as stabilization of D39R-(AQ)12 in the monomeric and 3**-(AQ)12 in the dimeric state was not affected by addition of the recombinant core domain. However, the shear- and KPi-induced assembly of the repetitive modules was significantly suppressed by fusion to NRN1L.h., and, especially by stabilization of D39R in the monomeric state. In contrast, stabilizing the dimeric state accelerated the assembly kinetics and significantly increased the self-assembly into fibrillary aggregates.
NRN1L.h. was stabilized at acidic pH in the dimeric state, whereas the five-helix bundle of NRC1L.h. of L. hesperus MaSp1 partially unfolded at a probably non-physiological pH of < 5.5. The exposure of hydrophobic patches induced the formation of unstructured aggregates with increased β-sheet content. The aggregation of NRC1L.h. could be clearly distinguished from self-assembly of natural and recombinant spidroins, as fibers formed through this process were well-defined and the assembly was reversible. Fusion of NRC1L.h. to (AQ)12 triggered and aligned the shear-induced self-assembly of the recombinant core modules at physiological pH values, however, the natural function of NRC was lost at low pH.
This thesis further investigated the interplay between the two molecular switches NRN and NRC. However, NRN1L.h. and NRC1L.h did not interact under solvent conditions mimicking those found during spidroin storage in the sac or assembly in the spinning duct. Since NRN changes its structure in response to the ionic environment and NRC responses to shear stress, this behavior represents an independent double-safety mechanism to prevent premature aggregation and to enable the tight control of spidroin assembly.