Titelangaben
Fülbier, Rolf Uwe ; Pferdehirt, Marc Henrik:
Überlegungen des IASB zur künftigen Leasingbilanzierung : Abschied vom off balance sheet approach.
In: KoR : internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung.
Bd. 5
(2005)
Heft 07-08
.
- S. 275-285.
ISSN 1617-8084
Abstract
Kaum ein anderer Bereich weckt stärkere off balance sheet-Assoziationen als das Leasing. Und das völlig zu Recht. Schließlich werden Leasingverträge häufig so gestaltet, dass Leasinggegenstände und vor allem die korrespondierenden Verbindlichkeiten nicht in der Bilanz des Leasingnehmers erscheinen. Dies ist möglich, weil viele Rechnungslegungssysteme in der Leasingbilanzierung einem all or nothing approach folgen, nach dem ein Vertrag entweder vollständig in der Bilanz des Leasingnehmers erscheint (Finanzierungsleasing) oder ebenso vollständig aus ihr verbannt wird (Operating Leasing). Die Gestaltung der Leasingverträge ist in ökonomischer Sicht eine rationale Ausweichhandlung der Regulierten, bei der es darum geht, die Klassifikationskriterien des Finanzierungsleasings erfolgreich zu umgehen, um insbesondere die bilanzielle Verschuldung nicht zu erhöhen.
Auch IAS 17 Leasingverhältnisse (Leases) ist von dieser Problematik geprägt. Dieser 2003 noch einmal überarbeitete Standard räumt den Bilanzierenden faktisch ein Wahlrecht ein, wirtschaftlich ähnliche Verträge bilanzwirksam oder -unwirksam auszugestalten. Im Unterschied zu den Leasingerlassen des Bundesministers der Finanzen und den entsprechenden US-GAAP-Regeln (insb. SFAS 13) hat das IASB im IAS 17 allerdings versucht, entsprechende Ausweichhandlungen mit weniger konkreten Klassifikationskriterien zumindest zu erschweren. Das Ergebnis bleibt unbefriedigend. Sogar das IASB kritisiert seinen eigenen Standard mit Hinweis auf die vielen Gestaltungsspielräume und Informationsdefizite. Konsequenterweise hat es deshalb ein Leasingprojekt als active research project initiiert, dessen Ergebnisse IAS 17 in Zukunft ersetzen sollen. Ausgehend von Vorarbeiten der inzwischen aufgelösten G4+1-Gruppe sollen künftig alle Leasingverträge gleich bilanziert werden. Diese Methode nimmt Abschied von der Unterteilung in Finanzierungs- und Operating Leasing nach Maßgabe der Frage, wer wirtschaftlicher Eigentümer des Leasinggegenstands ist. Unabhängig von dieser Frage, von der Vertragsgestaltung oder der Vertragsdauer werden alle Leasingverträge im Prinzip wie das heutige Finanzierungsleasing bilanziert. Dabei wird in der Bilanz des Leasingnehmers grundsätzlich ein immaterielles Nutzungsrecht angesetzt, dem eine korrespondierende Verbindlichkeit gegenübersteht.
Das IASB plant mit dieser Herangehensweise eine Art Paradigmenwechsel in der Leasingbilanzierung weg vom bisherigen off balance sheet approach. Die Folgen sind beachtlich: Einerseits wird hier ein Bilanzierungsproblem von hoher gesamtwirtschaftlicher Bedeutung adressiert, die sich z.B. darin dokumentiert, dass etwa jeder fünfte investierte Euro in Deutschland auf einen geleasten Gegenstand entfällt. Andererseits dürften sich nicht nur Konsequenzen für das IFRS-System ergeben, sondern - wie die Erkenntnisse der G4+1-Gruppe vermuten lassen - z.B. auch für US-GAAP und andere nationale Rechnungslegungssysteme. Neben erheblichen bilanzanalytischen Konsequenzen sind sogar Auswirkungen auf das interne Rechnungswesen zu vermuten, wenn Steuerungskennzahlen auf den Daten der insoweit veränderten Rechnungslegung aufsetzen.
Im Folgenden wird zunächst das off balance sheet-Problem von IAS 17 herausgearbeitet (Abschn. II.). Anschließend werden die vom IASB derzeit diskutierten Alternativvorschläge vorgestellt und gewürdigt. In diesem Zusammenhang wird zunächst die Grundkonzeption einer künftigen Leasingbilanzierung analysiert (Abschn. III.), ehe die Bilanzierung typischer Leasingvertragsmerkmale wie Optionen und bedingte Zahlungen im Rahmen dieser Konzeption diskutiert werden (Abschn. IV.). Abschließend werden die wichtigsten Ergebnisse noch einmal zusammengefasst (Abschn. V.).