Literatur vom gleichen Autor/der gleichen Autor*in
plus bei Google Scholar

Bibliografische Daten exportieren
 

Herstellung und Analyse von biopolymerbasierten Fasermaterialien

Titelangaben

Haynl, Christian:
Herstellung und Analyse von biopolymerbasierten Fasermaterialien.
Bayreuth , 2020 . - 149 S.
( Dissertation, 2020 , Universität Bayreuth, Bayreuther Graduiertenschule für Mathematik und Naturwissenschaften - BayNAT)
DOI: https://doi.org/10.15495/EPub_UBT_00005183

Volltext

Link zum Volltext (externe URL): Volltext

Abstract

Im Laufe der Evolution hat die Natur Materialien mit bemerkenswerten Eigenschaften hervorgebracht, welche heutzutage vom Menschen entweder direkt verarbeitet werden oder als Vorbild für das Design synthetischer Materialien dienen. Hierbei sind besonders Kollagenfasern und Spinnenseide in den Fokus der Wissenschaft und Industrie gerückt.
Kollagen bildet den Hauptbestandteil der extrazellulären Matrix in Wirbeltieren und ist aufgrund seiner biologischen Funktionalität für den Einsatz in der Biomedizin prädestiniert. Spinnenseide glänzt durch eine außergewöhnlich hohe mechanische Stabilität und ermöglicht die Absorption von Energie wie keine andere von der Natur oder von Menschenhand geschaffene Faser.

Gegenstand des ersten Teils der Arbeit bestand vorwiegend darin, zwei mikrofluidische Faserspinn-Verfahren zur Herstellung von Fasermaterialien mit verbesserten oder neuartigen Eigenschaften zu generieren.
In beiden mikrofluidischen Faserspinn-Verfahren wurde die Bildung von Fasern mittels hydrodynamischer Fokussierung eines zentralen (Bio)-Polymerlösungsflusses durch zwei dazu rechtwinklig-zuströmende Mantelflüsse eingeleitet.
Im ersten mikrofluidischen Faserspinn-Verfahren wurde zur Evaluierung der Prozessparameter ein kontinuierlicher Fluss einer Modell-Polymerlösung durch zwei Luftströme fokussiert (Flüssig-in-Gas Flussfokussierung). In Analogie zum Lösungsblasspinnen (engl. Solution blow spinning) wurde hierbei die Modell-Polymerlösung als Flüssigkeitsstrahl aus einer Düse ausgestoßen, woraufhin die Verdampfung des Lösungsmittels einsetzte und isotrope Vliesstoffe oder Vliesstoffgarne erzeugt werden konnten. Zukünftig kann dieses Verfahren interessant sein,
da hiermit im Gegenteil z.B. zum Elektrospinn-Verfahren auf ein elektrostatisches Feld verzichtet wird, wodurch das Risiko der Denaturierung empfindlicher (Bio)-Polymere (z.B. Kollagen) oder anderer sensitiver Verbindungen reduziert wird und sich darüber hinaus auch
neue Anwendungsmöglichkeiten ergeben (z.B. in situ Beschichtung von lebendem Gewebe). Das zweite mikrofluidische Faserspinn-Verfahren behandelte die Herstellung von Kollagenendlosfasern, da bisherige Nassspinn-Verfahren Kollagenfasern mit nur mäßigen mechanischen Stabilitäten erzielten und die Herstellung mit dem Einsatz organischer
Lösungsmittel, potenziell zellschädigender Vernetzungsreagenzien oder dem Risiko der Kollagendenaturierung einherging. In dem mikrofluidischen Faserspinn-Verfahren wurde ein zentraler Fluss einer sauer-eingestellten Kollagenlösung mit zwei neutralen, Polyethylenglykol-haltigen Pufferflüssen hydrodynamisch fokussiert (Flüssig-in-Flüssig Flussfokussierung). Die Interaktion der Lösungen induzierte die Bildung von Kollagenfibrillen, welche wiederum durch die hydrodynamische Fokussierung zu makroskopischen Fasern verdichtet und assembliert wurden. Der Durchmesser der dadurch generierten Fasern war durch die Flussraten der Kollagen- und Pufferlösungen, als auch durch die Faserabnahmegeschwindigkeit einstellbar. Mit finalen Durchmessern zwischen 3 und 6 μm erwiesen sich diese Fasern als signifikant dünner und mechanisch signifikant stabiler verglichen mit Kollagenfasern aus bisherigen Nassspinn-Verfahren.
Um die Kollagenfasern auf ihre Eignung für die Biomedizin, speziell als Orientierungsstruktur für die periphere Nervenreparatur zu testen, wurden neuronale Zellen auf den Kollagenfasern kultiviert und differenziert. Die Zellen adhärierten auf den Kollagenfasern, zeigten elektrophysiologische Aktivität und ihre Neurite richteten sich effektiv entlang der Faserlängsachsen aus. Auch konnten die Kollagenfasern als Füllmaterial exemplarisch in Nervenleitröhren aus rekombinanter Spinnenseide eingesetzt werden. Alternativ zu vorgefertigten Nervenleitröhren aus rekombinanter Spinnenseide konnte mit selbst-rollenden Filmen zudem der simultane Einschluss von Füllmaterial und neuronalen Zellen praktikabler und schonender gestaltet werden.

Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde im Rahmen eines mehrmonatigen Aufenthalts an der University of Melbourne die bisher materialanalytisch-undokumentierte Spinnenseide der australischen Krabbenspinne Saccodomus formivorus untersucht. Im Gegensatz zu Radnetzen und anderen Spinnenseidennetztypen besitzen die körbchenartigen Netze von S. formivorus eine grundsätzlich andere Gestalt und deuten bereits durch ihre Haptik auf eine außergewöhnliche Formstabilität hin. Die Körbchennetze wurden grundlegend licht- und rasterelektronenmikroskopisch untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass die Seidenstränge des Netzes aus einem Verbund aus Mikrofasern und Submikrofasern bestehen. Mittels Synchrotron-Infrarotmikrospektroskopie wurde in beiden Fasertypen im Verbund ein unterschiedlicher Gehalt an C-O-C und C-OH-Gruppen ermittelt. Weiterhin zeigte sich, dass diese Verbundfasern signifikant geringere Werte für die Zugfestigkeit und das E-Modul im Vergleich zur Major Ampullate und Minor Ampullate Seide von Radnetzspinnen annahmen und keine Ähnlichkeit zum elastischen Materialverhalten der Flagelliform Seide besaßen. Jedoch waren die absoluten lateralen Widerstandskräfte der Verbundfasern gegenüber der Major Ampullate Seide der Modelradnetzspinne Nephila edulis deutlich erhöht. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit beider Fasertypen mit den Fasern des Eierkokons anderer Spinnenarten wird angenommen, dass das Beutefangnetz von S. formivorus eine Erweiterung des ursprünglichen Eierkokons ist.

Zusammenfassend wurde mit dieser Arbeit einerseits eine neue Technologie geschaffen, um Vliesstoffe und -garne flexibel und ohne Einsatz eines elektrischen Feldes herzustellen. Darüber hinaus wurde die Herstellung von Kollagenendlosfasern mit verbesserten Eigenschaften im
Vergleich zu früheren Pendants ermöglicht, welche zudem Anwendungspotenzial in der peripheren Nervenreparatur zeigten. Die Erkenntnisse über die Spinnenseide von S. formivorus liefern hingegen wertvolle Einsichten in die Evolution des Spinnenseidennetzbaus und inspirieren die Entwicklung von neuen Fasermaterialien mit formstabilen Eigenschaften.

Abstract in weiterer Sprache

Throughout the course of evolution, nature has generated remarkable materials. These materials can be used for various applications by processing them directly or using them as a blueprint for synthetic materials. Herein, collagen fibers and spider silk receive much attention in science and industry. Collagen forms the major component of the extracellular matrix in vertebrates and is well-suited for applications in biomedicine due to its biological functionality. Spider silk impresses due to its extraordinary high mechanical stability, thus enabling absorption of energy no other natural or synthetic fiber can compete with.

Part one of this dissertation dealt mainly with two microfluidic fiber spinning processes, which were used in order to produce fiber materials with improved or novel properties. In both microfluidic fiber spinning processes, the formation of fibers was induced using a core flow of
a (bio)-polymer solution, which was hydrodynamically-focused by two perpendicularly-oriented sheat flows.
The first microfluidic fiber spinning process used a continuous flow of a model polymer solution in order to evaluate the process parameters. The model polymer solution was focused by two air flows (liquid-in-gas flow focusing). In accordance with solution blow spinning, the model polymer solution was jetted through a nozzle out of the device, followed by solvent
evaporation and formation of isotropic nonwovens and nonwoven yarns. This process is of interest, as in contrast to, e.g. electro spinning, no electrostatic field is required, thereby the extend of denaturation of sensitive (bio)-polymers (e.g. collagen) or other sensitive compounds is reduced. Moreover, with using this process, other applications, such as in situ coating of living tissue, can be enabled.
The second microfluidic fiber spinning process concerned the fabrication of endless collagen fibers, since previous wet spinning devices yielded collagen fibers with only moderate mechanical stabilities. Furthermore, the previous wet-spun collagen fibers were associated with the use of organic solvents, putative cell toxic cross-linking agents and the chance of collagen denaturation. The microfluidic fiber spinning process based on a core flow comprising an acidic collagen solution, which was hydrodynamically-focused by two flows comprising neutral buffer solutions with polyethylene glycol (liquid-in-liquid flow focusing). The interaction of
those solutions induced the formation of collagen fibrils. The latter ones were compressed and assembled using the hydrodynamic focusing, finally yielding macroscopic fibers. The diameter of those fibers depended on the collagen and buffer flow rates, as well as on the fiber collection velocity. The final fiber diameters laid in the range of 3 to 6 μm, thus those fiber diameters were significantly lower compared to the values of collagen fibers originating from wet spinning devices. Furthermore, the collagen fibers produced using the microfluidic device exhibited a significantly higher mechanical stability.
In order to test the collagen fibers for peripheral nerve repair, neuronal cells were cultivated and differentiated thereon. The cells adhered on the collagen fibers, showed electrophysiological activity and their neurites were elongated along the fiber axes. The collagen fibers were further used as a filler for tubular nerve guidance conduits made of recombinant spider silk. As an alternative to prefabricated conduits, self-rolling films could be used to gently achieve the simultaneous incorporation of filler material and neuronal cells.

The second part of this work was carried out within a several months research stay at the University of Melbourne and focused on the, so far, structurally-undocumented silk of the Australian crab spider Saccodomus formivorus. In contrast to orb webs and other spider silk webs, those of S. formivorus are basket-like and indicate an extraordinary dimensional stability. The basket webs were examined using light- and scanning electron microscopy, revealing that the silk threads comprise a composite structure made of micro- and submicron fibers. Using synchrotron infrared microspectroscopy, both fiber types in the composite thread showed a distinct content of C-O-C and C-OH groups. Furthermore, the composite threads exhibited a significantly lower tensile strength and Young‘s modulus than Major Ampullate and Minor Ampullate silk of orb weavers, and the composite threads did not possess similarity to the elastic Flagelliform silk. However, the lateral resilience of the composite threads was significantly increased compared to Major Ampullate silk of the model orb weaver Nephila edulis. Due to the structural similarity of both fiber types with those of egg cases of other spider species, it is supposed that the basket web is an extension of a former egg case.

In conclusion, these dissertation studies yielded a novel technology to flexibly produce nonwovens and nonwoven yarns without the need of an electrostatic field. Furthermore, the fabrication of endless collagen fibers exhibiting improved properties compared to previous collagen fibers was enabled and those fibers showed suitability in peripheral nerve repair. The findings on the spider silk of S. formivorus yield valuable insights into the evolution of web building and inspire the development of novel fiber materials with high dimensional stability.

Weitere Angaben

Publikationsform: Dissertation
Keywords: Kollagen; Spinnenseide; Mikrofluidik; Biomaterial; Faser; Nervenleitschiene
Institutionen der Universität: Fakultäten > Fakultät für Ingenieurwissenschaften > Lehrstuhl Biomaterialien > Lehrstuhl Biomaterialien - Univ.-Prof. Dr. Thomas Scheibel
Graduierteneinrichtungen > Bayreuther Graduiertenschule für Mathematik und Naturwissenschaften - BayNAT
Graduierteneinrichtungen > Bayreuther Graduiertenschule für Mathematik und Naturwissenschaften - BayNAT > Molekulare Biowissenschaften
Fakultäten
Fakultäten > Fakultät für Ingenieurwissenschaften
Fakultäten > Fakultät für Ingenieurwissenschaften > Lehrstuhl Biomaterialien
Graduierteneinrichtungen
Titel an der UBT entstanden: Ja
Themengebiete aus DDC: 500 Naturwissenschaften und Mathematik > 500 Naturwissenschaften
Eingestellt am: 12 Dec 2020 22:00
Letzte Änderung: 14 Dec 2020 06:37
URI: https://eref.uni-bayreuth.de/id/eprint/61078