Titelangaben
Neubauer, Vanessa J.:
Rekombinante Spinnenseidenproteine und Biomineralisation für technische und biomedizinische Anwendungen.
Bayreuth
,
2022
. - 184 S.
(
Dissertation,
2021
, Universität Bayreuth, Bayreuther Graduiertenschule für Mathematik und Naturwissenschaften - BayNAT)
DOI: https://doi.org/10.15495/EPub_UBT_00005710
Angaben zu Projekten
Projektfinanzierung: |
Oberfrankenstiftung |
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Abstract
Die Übertragung von Prinzipien aus der Natur half dem Menschen in der Vergangenheit bei bahnbrechenden technischen und medizinischen Neuerungen, die nun unseren Alltag erleichtern. Eine genaue Studie der Vorgänge der Biomineralisation, wie sie in unser aller Knochen ablaufen, kann verschiedene Anwendungen enorm bereichern. Das Verständnis der zu Grunde liegenden Prozesse, wie die Interaktion von Zellen mit dem umliegenden mineralisierten Gewebe, die Steuerung der Kristallkeim- und Strukturbildung durch Proteintemplate oder der osmotischen Balance während der Mineralabscheidung aus übersättigter Lösung spielen dabei auch in ihrer Interaktion untereinander eine wichtige Rolle. Der Brückenschlag zwischen dem natürlichen Vorbild und der späteren Applikation findet dabei insbesondere bei biomedizinischen Anwendungen statt: Im biomedizinischen Anwendungsbereich gelten derzeit nach wie vor Implantation oder Transplantation als Goldstandardlösungen für den Ersatz von mineralisierten Geweben. Dabei stellen sich vermehrt Probleme wie die Knappheit an Spenderorganen, eine nachteilige Interaktion von Implantaten mit dem umliegenden Ersatzgewebe oder die Übertragung von Krankheiten aus tierischen Produkten dar. Um diese Hindernisse zu überwinden, können artifizielle Gewebe, die einer Biomineralisation des Materials unterliegen, geeignete Lösungen im Sinne des Tissue Engineering darstellen. In diesem Fabrikationsansatz werden personalisierte Ersatzgerüste erstellt und in den Patienten eingebracht. In technischen Anwendungen ist in Zeiten der Energiewende die möglichst effiziente Nutzung und klimafreundliche Erzeugung von Energie ein wichtiges Argument. Um die erneuerbare Energieerzeugung zu unterstützen und effizienter zu gestalten, kommen häufig keramische Katalysatoren zum Einsatz. So kann im Zuge der Wasserstoffwirtschaft die katalytische Spaltung von Wasser als Grundlage für die Gewinnung des Energieträgers Wasserstoff dienen. In ausgefeilten Mineralisationsprozessen können gerichtet Materialien entstehen, die diese Reaktion katalysieren und großtechnisch umsetzbar machen.
Um diese unterschiedlichen Ziele miteinander zu verbinden und basierend auf einer gemeinsamen Grundlage individuell zu lösen, wurden in der vorliegenden Dissertation nach dem Vorbild der natürlich ablaufenden Biomineralisation Lösungsansätze erstellt. Als gemeinsame Ausgangsmaterialien wurden dafür rekombinante Spinnenseidenproteine gewählt. Basierend auf funktionellen Peptidmotiven der repetitiven Kerndomäne des Abseilfadens der Gartenkreuzspinne Araneus diadematus lag bereits das rekombinante Spinnenseidenprotein eADF4(C16) vor, das biotechnologisch großtechnisch hergestellt werden kann. Es ermöglicht neben einer molekularbiologischen Modifikation des Ausgangsmaterials ein Maßschneidern von Morphologien für unterschiedliche Anwendungen. Anhand diesen flexiblen Materials als Grundlage wurden verschiedene Fragestellungen zum Themenkomplex Biomineralisation beleuchtet, im Speziellen darunter Ersatzmaterialien für den Sehnen-Knochen-Übergang, der Enthese.
Der erste Teil dieser Arbeit fokussierte sich auf das Verständnis mechanistischer Vorgänge während der bioinspirierten Mineralisation von Mangancarbonat unter kontrollierten Bedingungen in Gegenwart von verschiedenen Additiven. Darüber hinaus wurde der Ladungseinfluss von zwei Spinnenseidenvarianten untersucht, die mit unterschiedlichen Peptid-Funktionalisierungen ausgestattet waren und als klassisches Proteintemplat fungierten. Weiterhin wurde die ebenfalls geladene, synthetische Polyacrylsäure in die Reaktion als Struktur-dirigierendes Polymer eingebracht. Dabei wurde herausgefunden, dass neben einem Ladungseinfluss der Komponenten auch die kolloidale Stabilität der eingebrachten Spinnenseidenpartikel das Mineralisationsergebnis beeinflusst. Eine Abweichung der gebildeten Spezies äußerte sich in unterschiedlich starker Interaktion der Spinnenseidenpartikel mit den unter diesen Bedingungen typischerweise gebildeten Mangancarbonat-Würfeln. Außerdem konnte eine Polymer-induzierte Flüssigphase ähnlich bereits beschriebener Strukturen in Gegenwart von Polyacrylsäure generiert werden. Somit konnten aus diesen Erkenntnissen Aussagen über das Mineralisationsgeschehen mit Spinnenseidenproteinen getroffen werden und eine Einschätzung der gebildeten Materialien für eine Anwendung als Katalysatormaterial abgeleitet werden.
Im zweiten Teil wurden Antworten zu Fragestellungen zu mineralisiertem Gewebeersatz erarbeitet. Da Spinnenseide ein biokompatibles Biomaterial darstellt, das nicht-toxisch und bioabbaubar ist und keine Immunreaktion auslöst, eignet es sich für derartige biomedizinische Anwendungen. Im Falle des teilmineralisierten Gewebes des Sehnen-Knochen-Übergangs sind neben einer graduellen Mineralisation hin zur Knochenseite weitere Designkriterien wichtig, die die Mechanik des Gewebes zur Kraftübertragung und Zellbesiedlung betreffen.
Es wurde eine biomimetische Biomineralisation von rekombinanten Spinnenseidenvarianten untersucht, die Mineralisierungs- und Kollagenbindemotive aus der Mineralisation im Knochen zu Grunde liegenden SIBLING Proteinen trugen. Eine Materialstudie zeigte das Mineralisationsverhalten der Varianten und ihre Zellverträglichkeit. Durch eine Prozessierung in ein Gradientenmaterial wurde das unterschiedliche Zellverhalten von Osteoblasten mit einer Präferenz zu Gunsten des Kollagenbindemotivs sichtbar. Dies bestätigte eine Eignung für Materialanwendungen im graduellen Sehnenersatz an der Knochenseite.
Ein weiterer Ansatz realisierte Spinnenseiden-Kompositmaterialien mit anorganischen Füllstoffen. Vorteil dieser Herangehensweise war das gerichtete Einbringen von Keramiken in ein Matrixmaterial, das dann zusätzlich mit Zellen angereichert wurde. Die Entwicklung eines neuartigen Verfahrens im 3D Druck erlaubte das einfache Verarbeiten dieser Biotinten in Gradientenmaterialien. Somit wurde erfolgreich nach Vorbild der Enthese ein rekombinantes Spinnenseidenhydrogel mit einem Gradienten, beladen an Zellen und Fluorapatit-Partikeln, gedruckt und eine Zellviabilität nach dem Prozess bestätigt.
In einem dritten Teil wurde ein neuer Fabrikationsansatz für Spinnenseidengele entwickelt. Faltung und Selbstassemblierung von rekombinanten Spinnenseidenproteinen basierten in mischbaren, wässrig-organischen Zwischenphasen auf der Ausbildung von Wasserstoffbrücken und hydrophoben Effekten. Neben zu Grunde liegenden mechanistischen Betrachtungen wurde eine höhere Materialsteifigkeit der Spinnenseidengele in wässrig-organischen Mischphasen mit Dimethylsulfoxid erzielt. Sie eignen sich durch ihren organischen Lösungsmittelanteil als injizierbare oder druckbare Depots zur Formulierung von wasserunlöslichen Wirkstoffen.
Abstract in weiterer Sprache
The transfer of principles occurring in nature to technical and biomedical revolutions, which facilitate daily life, was a benefit for humankind throughout history. A detailed study of biomineralization processes undergoing in our bones can therefore beneficially contribute to future fields of application. The understanding of underlying processes such as cell interaction in mineralized tissues, nucleation and structure-directing effects of protein templates or osmotic balance during mineral growth propagation from saturated solution, and their interaction among each other play a crucial role therein. Regarding this natural blueprint, typical applications lie in the biomedical field: In biomedical applications, the reconstruction of lost mineralized tissues is currently based on transplantation or implantation solutions. However, issues can occur with respect to donor organ shortage, improper implant-host tissue interaction and disease transmission from animal sources. Tissue engineering approaches can overcome these obstacles upon providing artificial tissues from intrinsic mineralized materials. This fabrication method yields personalized scaffolds, which are then implanted into patients. The technical application field concerns a climate-friendly generation and efficient energy consumption during energy revolution. Strategies for efficient renewable energy generation often involve ceramic catalyst technologies. Moreover, they can deliver catalytic water splitting to produce hydrogen as potential new energy carrier. Controlled mineralization processes yield catalyst materials, which enhance the water splitting reaction and allow an industry-scale production.
This dissertation aims at solution approaches based on bioinspired biomineralization processes to combine the aforementioned aims and also to target them individually. Recombinant spider silk proteins served as common basis for these studies. The eADF4(C16) recombinant spider silk protein was previously designed based on functional peptide motives extracted from the repetitive core domain of the Araneus diadematus garden spider dragline silk and can be produced biotechnologically in large scale. Modifications of the material can be realized via molecular cloning and tailor-made processing into various morphologies. This flexible material allowed multidirectional approaches concerning biomineralization in general and among them specifically at the tendon-bone-insertion, the enthesis site.
The first part of this thesis focussed on bioinspired mineralization mechanisms during manganese carbonate mineralization under controlled conditions and in the presence of various additives. Among them, two spider silk variants were studied concerning their peptide-tag charge influences as classical protein template. Moreover, the structure-directing, charged synthetic polymer poly(acrylic acid) was added to the reaction. As a result, it was found that not only the components’ charge plays an important role but also the colloidal stability of the spider silk template particles influences the mineralization outcome. Cubic mineralized manganese carbonate species differed in their spider silk particle content depending on particle charge. Further, poly(acrylic acid) yielded the formation of a polymer induced liquid phase similar to reported structures. From these findings, the behaviour of spider silk proteins in mineralization setups could be translated. Their suitability as new catalyst materials could be estimated.
The second thematic complex was related to mineralized tissue regeneration topics. Spider silk renders a biocompatible biomaterial for such applications, as it is non-toxic, biodegradable and shows no immune reaction. Other design criteria for only partially mineralized tissues at the tendon-bone interface, which transfers high loads, are gradual mineralization and cell population towards the bone.
Biomimetic mineralization studies of recombinant spider silk hybrid variants with fusion peptides from mineralization and collagen binding sites of SIBLING proteins in bone were conducted. The material study enlightened their mineralization behaviour and their cell compatibility. Upon processing two variants into a gradient surface, a clear preference of osteoblast cells towards the collagen binding motive was visualized. This confirmed their suitability for gradual tendon to bone replacement applications.
Further, a recombinant spider silk protein composite material with inorganic fillers was realized. The advantage of this method is the controlled composition of matrix and mineral, which allowed even the incorporation of cells. The development of a new break-through 3D printing technique enabled the easy to handle processing of these bioinks into gradient materials. Therefore, recombinant spider silk hydrogels loaded with cells and fluorapatite particles could be gradient printed, mimicking the natural enthesis, and cell viability after the process was maintained.
In the third part, a new fabrication route for spider silk gels was developed. Folding and self-assembly of recombinant spider silk proteins in miscible aqueous-organic interphases was based on hydrogen bonds and hydrophobic interactions. Besides unraveling the underlying mechanism of structure formation, also higher material stiffness for spider silk gels was yielded in aqueous-organic interphases with dimethylsulfoxide. Due to their organic solvent content, they can be applied as injectable or printable depots for the formulation of water-insoluble drugs.