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Funktionalisierung und Fabrikation von rekombinanten Spinnenseidengerüsten für die Gewebezüchtung

Titelangaben

Trossmann, Vanessa T.:
Funktionalisierung und Fabrikation von rekombinanten Spinnenseidengerüsten für die Gewebezüchtung.
Bayreuth , 2023 . - 311 S.
( Dissertation, 2023 , Universität Bayreuth, Bayreuther Graduiertenschule für Mathematik und Naturwissenschaften - BayNAT)
DOI: https://doi.org/10.15495/EPub_UBT_00007371

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Abstract

Der menschliche Körper wird während des Lebens mit Krankheiten, Verletzungen und Verschleiß konfrontiert. Daher haben Biomaterialien zur Erhaltung und Förderung der Lebensqualität einen hohen Stellenwert in der Medizin erlangt. Ihr Ziel liegt darin, die Regeneration von eingeschränkten, verletzten oder verlorenen Körperfunktionen zu unterstützen, wiederherzustellen oder komplett zu übernehmen. Dabei sind die Anforderungen an Biomaterialien aufgrund der Diversität der Anwendungsbereiche jedoch sehr unterschiedlich. Während vorwiegend bioinerte Materialien minimal mit der Körperumgebung interagieren sollen, liegt das Ziel von bioaktiven Materialien in der Stimulation des umliegenden Gewebes. Deswegen haben sich gerade im Bereich der regenerativen Medizin und künstlichen Gewebezucht anwendungsspezifisch angepasste Biomaterialgerüste zu einem elementaren Bestandteil entwickelt. Solche stimulierenden, bioabbaubaren Gerüste bieten den Zellen zuerst eine geeignete, stabilisierende Kultivierungsmatrix, die über die Zeit abgebaut und durch die neu gebildete, zelluläre Mikroumgebung ersetzt wird. In diesem Zusammenhang sind die Adhäsion, das Wachstum, die Migration und die Differenzierung von Zellen entscheidende Faktoren, um die vollständige Funktion zu gewährleisten. Da die natürliche, zelluläre Mikroumgebung sehr komplex und gewebespezifisch ist, liegt ein Forschungsschwerpunkt in der Entwicklung und Herstellung von adaptierbaren und funktionalisierten Biomaterialgerüsten für die Gewebezucht und regenerative Medizin.
Aufgrund ihrer Eigenschaften, wie einer hohen Biokompatibilität, einer langsamen Bioabbau-barkeit und der vielfältigen Justierbarkeit, sind Materialien aus rekombinanten Spinnenseiden-proteinen vielversprechende Kandidaten für die Anwendung als Biomaterialgerüst. Die rekombinante Produktion stellt die Herstellung ausreichender Proteinmengen mit gleichbleibender Qualität sicher und ermöglicht zusätzlich die Modifikation und Anpassbarkeit der Proteine auf genetischem Level. Die vorliegende Arbeit fokussierte sich auf die Herstellung und Charakterisierung von funktionalisierten Spinnseidengerüsten und deren potentielle Anwendungsgebiete in der Gewebezucht. Inspiriert vom natürlichen, repetitiven ADF4-Protein (Araneus diadematus Fibroin 4) des Abseilfadens der europäischen Gartenkreuzspinne, wurde in der Vergangenheit das rekombinante eADF4(C16)-Spinnenseidenprotein etabliert und weitere eADF4-Varianten generiert. In dieser Arbeit dienten das negativ geladene eADF4(C16)-, das positiv geladene eADF4(κ16)- und das zelladhäsive eADF4(C16)-RGD-Spinnenseidenprotein als Ausgangsmaterialien. Ein erster Teilbereich befasste sich mit der Entwicklung, Herstellung und Charakterisierung neuer eADF4-basierter Spinnenseiden-varianten durch Modifikation auf genetischer Ebene. Auf diese Weise wurde einerseits das ungeladene eADF4(Ω16)-Spinnenseidenprotein durch Aminosäureaustausch und andererseits mehrere, funktionalisierte, zelladhäsive Varianten durch die Fusion von kurzen bioaktiven Peptidsequenzen designt und rekombinant produziert.
Die Selbstassemblierung rekombinanter eADF4-basierter Proteine in Nanofibrillen und Gele wurde ebenfalls näher untersucht, da dieser Mechanismus bisher nur für eADF4(C16)-basierte Varianten beschrieben war. So zeigte sich, dass das ungeladene eADF4(Ω16) sehr schnell zu Fibrillen assemblierte, jedoch eine genaue Temperaturkontrolle brauchte, um ungewünschte Aggregation zu vermeiden. Im Gegensatz dazu, benötigte die positiv geladene eADF4(κ16)-Variante zur Fibrillenbildung Ionen, die das Protein in Lösung stabilisierten und die Aggregation verlangsamten. Während die Anwesenheit eines organischen Co-Lösungsmittels (DMSO) die Selbstassemblierung von eADF4(C16) nahezu nicht beeinflusste, schien DMSO die Fibrillenbildung von eADF4(Ω16) zu stabilisieren und von eADF4(κ16) zu destabilisieren. Zusätzlich vorhandene Peptidmodifikationen ermöglichten eine bessere Kontrolle der Selbst-assemblierung in wässriger Umgebung. Obwohl Säugetierzellen die Fibrillisierung von Spinnenseidenproteinen beeinflussten, bildeten sich immer noch physikalisch stabile 3D-Netzwerke aus. Dabei schienen sich negative Effekte der Zellen durch deren Interaktion mit RGD-Peptiden auszugleichen. All diese Erkenntnisse führten zur Entwicklung neuartiger Wirkstoffdepots auf Gel-Basis zur kontinuierlichen Freisetzung hydrophiler und hydrophober Substanzen und zur Optimierung von Biotinten durch die biochemische Stimulation von eingebrachten Zellen. Die entwickelten Gele eigneten sich für Biofabrikationsansätze und den Extrusionsdruck von formstabilen 3D-Konstrukten, wie dem Modell einer Aortenklappe.
Das ungeladene eADF4(Ω16) ermöglichte die Charakterisierung der Materialeigenschaften rekombinanter eADF4-Varianten basierend auf der Ladung, da nur eine Aminosäure im repetitiven Modul verändert war. Dadurch konnte der Mikrobenabstoßungsmechanismus von eADF4(C16)-basierten Spinnenseidengerüsten anhand eines molekularen Strukturmodells aufgeklärt werden. Das Fehlen von geladenen Aminosäuren führte bei eADF4(Ω16)-Gerüsten zu einer dichteren Anordnung der hydrophoben Proteinbereiche, mit denen Mikroben interagieren können. Durch die elektrostatische Abstoßung im negativ geladenen eADF4(C16) sind die resultierenden, hydrophoben Bereiche zu klein für eine Mikrobeninteraktion. Zudem zeigten eADF4(C16)-basierte Hydrogele auch in vivo eine exzellente Biokompatibilität ohne Immunantwort und eine langsame Bioabbaubarkeit. Im Gegensatz dazu zeigten positiv geladene eADF4(κ16)-Oberflächen im Vergleich zu eADF4(C16) und eADF4(Ω16) in vitro eine schnellere Degradation sowie eine erhöhte Adsorption und Umstrukturierung von Proteinen des Blutplasmas, was zu einer verstärkten Blutkoagulation führte.
Es wurde ebenfalls deutlich, dass positiv geladene Seidenoberflächen die Interaktion mit Zellen erhöhen. Zusätzlich förderte die Modifikation der eADF4-Varianten mit zelladhäsiven RGD-Peptiden generell die Interaktion mit Zellen und stimulierte diverse zelluläre Antworten unabhängig davon, welche Morphologie oder welcher Zelltyp verwendet wurden. So kontrahierten induzierte Kardiomyozyten synchron auf RGD-modifizierten Seidenfilmen, während eingekapselte HEK293 Produktionszellen in eADF4(C16)-RGD-Hydrogelen kontinuierlich einen Modellwirkstoff bildeten. Auch in vivo zeigten eADF4(C16)-RGD-Hydrogele eine gute Gewebeneubildung und Vaskularisierbarkeit.
In dieser Arbeit konnte außerdem die bioselektive Zellanheftung durch biochemische und topographische Modifikationen erreicht werden. So offenbarte die Analyse der funktionalisierten, zelladhäsiven Varianten mit elf Zelllinien und einer Co-Kultur, dass eADF4(C16)-KGD selektiv für Myoblasten ist. Zusätzlich ermöglichte die Modifikation von eigentlich zellabweisenden eADF4(C16)-Filmen mit diversen Oberflächentopographie-Gradienten eine gerichtete Interaktion und Ausrichtung von Zellen zur Entwicklung angepasster Implantatoberflächen. Dabei konnten auch zellspezifische Zusammenhänge zwischen Zell- und Strukturgröße nachgewiesen werden.

Abstract in weiterer Sprache

The human body is confronted with diseases, injuries and abrasion during life. Thus, biomaterials have gained high importance in medicine to maintain and promote life quality. Their aim is supporting, restoring or completely assuming the regeneration of restricted, injured or lost body functions. Due to diverse applications, the requirements for biomaterials differ. While mainly bioinert materials should minimally interact with the body surrounding, bioactive materials should actively stimulate the tissue. Thus, application-specifically adopted biomaterial scaffolds have evolved to an indispensable component in regenerative medicine and tissue engineering. Such stimulating, degradable scaffolds initially offer cells suitable, stabilizing culture matrices, which will be degraded and replaced by newly formed cellular microenvironment over time. In this context, adhesion, growth, migration, and differentiation of cells are essential factors to ensure complete function. Since the native, cellular microenvironment is complex and tissue-specific, the development and production of adjustable and functionalized biomaterial scaffolds for tissue engineering and regenerative medicine is currently focussed in science.
Due to their properties including high biocompatibility, slow biodegradation and versatile adjustability, materials made of recombinant spider silk proteins are promising candidates for application as biomaterial scaffolds. Recombinant production ensures fabrication of sufficient protein amounts with similar quality and allows the modification and adaption of proteins on the genetic level. The present work focussed on the production and characterization of functionalized spider silk scaffolds and their potential application fields in tissue engineering. Inspired by the natural, repetitive ADF4-protein (Araneus diadematus fibroin 4) of the dragline of the European garden spider, the recombinant eADF4(C16) spider silk protein has been established in the past and further eADF4-variants have been generated. Here, the negatively charged eADF4(C16), the positively charged eADF4(κ16) and the cell adhesive eADF4(C16)-RGD spider silk protein served as starting materials. A first part dealt with the development, production and characterization of new eADF4-based spider silk variants modified on genetic level. Thus, the uncharged eADF4(Ω16) and several, functionalized, cell adhesive variants were recombinantly produced after using amino acid exchange or fusing short bioactive peptide sequences, respectively.
The self-assembly of recombinant eADF4-based proteins into nanofibrils and gels has been investigated closer, since this mechanism has only been described for eADF4(C16)-based variants. It could be shown that uncharged eADF4(Ω16) self-assembled very fast into fibrils, however, a strict temperature control was necessary to avoid unintentional aggregation. In contrast, the positively charged eADF4(κ16) variant needed ions for fibril formation to stabilize proteins in solution and to avoid aggregation. While self-assembly of eADF4(C16) was almost unaffected in presence of an organic co-solvent (DMSO), it seemed to stabilize eADF4(Ω16) and to destabilize eADF4(κ16) fibril formation. Additional peptide modifications allowed better control of self-assembly in aqueous solution. Although mammalian cells influenced fibril formation of spider silk proteins, physically stable 3D-networks could be formed. Thereby, negative effects of the cells seemed to be compensated by their interaction with RGD-peptides. These findings led to the development of new, gel-based drug depots for continuous release of hydrophilic and hydrophobic substances and to the optimization of bioinks by biochemical stimulation of encapsulated cells. The developed gels were suitable for biofabrication and extrusion printing of dimensionally stable 3D-constructs like the model of an aortic valve.
The uncharged eADF4(Ω16) allowed the characterization of properties of eADF4-based materials based on the charge, since only one amino acid was exchanged in the repetitive module. Thus, the microbe repellent mechanism of eADF4(C16)-based spider silk scaffolds could be clarified using a molecular structure model. The absence of charged amino acids led to denser arrangement of hydrophobic protein patches in eADF4(Ω16) scaffolds allowing microbe interaction. Due to electrostatic repulsion, the resulting, hydrophobic patches of negatively charged eADF4(C16) are too small for microbial interaction. In addition, eADF4(C16)-based hydrogels also showed excellent biocompatibility without immune response and slow biodegradation in vivo. In contrast, compared to eADF4(C16) and eADF4(Ω16), positively charged eADF4(κ16) surfaces displayed faster degradation and increased adsorption and restructuring of blood plasma proteins in vitro resulting in enhanced blood coagulation.
It also became clear that positively charged silk surfaces enhance cell interactions. Additionally, the modification of eADF4-variants with cell adhesive RGD peptides generally supported the interaction with cells and stimulated different cellular responses independent of the used morphology or cell type. For instance, induced cardiomyocytes synchronously contracted on RGD-modified silk films, while encapsulated HEK293 producer cells continuously released a model drug in eADF4(C16)-RGD hydrogels. The eADF4(C16)-RGD hydrogels also displayed good tissue formation and vascularization in vivo.
Furthermore, bioselective cell adhesion induced by biochemical and topographical modifications could be achieved in the present work. The analysis of functionalized, cell adhesive spider silk variants with eleven cell types and a co-culture showed that eADF4(C16)-KGD is selective for myoblasts. In addition, the modification of usually non-cell adhesive eADF4(C16) films with diverse surface topography gradients allowed guided interaction and orientation of cells for the development of adjusted implant surfaces. Thereby, cell-specific correlations between cell and topography size could be verified.

Weitere Angaben

Publikationsform: Dissertation
Keywords: Spinnenseide; Gewebezüchtung; Biomedizin; Rekombinante Proteinherstellung; Prozessierung; Zellkultur; Biomaterial; Modifikation; Hydrogel; Selbstassemblierung; Biofabrikation
Institutionen der Universität: Fakultäten > Fakultät für Ingenieurwissenschaften
Fakultäten > Fakultät für Ingenieurwissenschaften > Lehrstuhl Biomaterialien
Fakultäten > Fakultät für Ingenieurwissenschaften > Lehrstuhl Biomaterialien > Lehrstuhl Biomaterialien - Univ.-Prof. Dr. Thomas Scheibel
Forschungseinrichtungen > Institute in Verbindung mit der Universität > TechnologieAllianzOberfranken (TAO)
Forschungseinrichtungen > Sonderforschungsbereiche, Forschergruppen > SFB/Transregio 225 Von den Grundlagen der Biofabrikation zu funktionalen Gewebemodellen
Graduierteneinrichtungen > University of Bayreuth Graduate School
Graduierteneinrichtungen > Bayreuther Graduiertenschule für Mathematik und Naturwissenschaften - BayNAT
Graduierteneinrichtungen > Bayreuther Graduiertenschule für Mathematik und Naturwissenschaften - BayNAT > Polymer Science (Polymerwissenschaft)
Graduierteneinrichtungen > Elitenetzwerk Bayern
Graduierteneinrichtungen > Elitenetzwerk Bayern > Macromolecular Science
Fakultäten
Forschungseinrichtungen
Forschungseinrichtungen > Institute in Verbindung mit der Universität
Forschungseinrichtungen > Sonderforschungsbereiche, Forschergruppen
Graduierteneinrichtungen
Titel an der UBT entstanden: Ja
Themengebiete aus DDC: 500 Naturwissenschaften und Mathematik
500 Naturwissenschaften und Mathematik > 500 Naturwissenschaften
600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften
600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 620 Ingenieurwissenschaften
Eingestellt am: 23 Dec 2023 22:00
Letzte Änderung: 08 Jan 2024 06:05
URI: https://eref.uni-bayreuth.de/id/eprint/88138